Lange war Bechyně einfach eine schöne alte Stadt in einer äußerst malerischen Lage auf einem Felsplateau hoch über dem engen Tal der Lužnice.
Sein großer Platz, der sanft abfällt und dabei schmaler wird, also fast ein Dreieck bildet, ist eines der spektakulärsten historischen Ensembles mindestens Südböhmens. Es ist dafür nicht wichtig, daß nur wenige der ihn begrenzenden Häuser ihre Fassaden aus Renaissance oder Barock behielten und manche über die üblichen beiden Geschosse hinauswuchsen. Es schadet nicht, daß weite Teile von Parkplätzen und Straßen eingenommen sind, da Durchgangsverkehr ob der Lage ohnehin unmöglich ist. Es ist eher von Vorteil, daß unten große Linden den Blick auf das Schloß, auf das er zuläuft, verbergen. So gehört der Platz ganz der Kirche, die sich etwas oberhalb der Mitte von rechts in ihn hineinschiebt.
Die Kostel svatého Matěje (Matthäuskirche) ist wie die Stadt im Kleinen: Die Grundlage schuf die Gotik.
Die Renaissance fügte einen äußerst dicken quadratischen Turm mit säulengetragenem rundbögigen Umgang, dessen Geländer jeweils zwei runde Pfosten beidseits einer quadratischen Reliefplatte hat, hinzu. Doch ihre heutige Gestalt prägt ganz der Barock.
Er tut das nicht vor allem durch die hohen, fast nur aufgemalten Pilaster neben den Ecken des Turms oder durch dessen gedrungene und schwere schwarze Haube, sondern durch den zum Platz zeigenden Chor. In den seitlichen beiden Flächen seiner Trapezform durften sogar spitzbögige Fenster verbleiben, doch die vier Strebepfeiler wurden oben geschwungen abgerundet, was sie völlig verändert. Darüber beginnt der Giebel an den Seiten mit Voluten, die mehr noch als andere vielfach aufgerollte Spiralen sind und auf denen von je vier Kugeln getragen Obelisken stehen. Von ihnen steigt sein Rand geschwungen an, was auch die schräge Fläche geschwungen wirken läßt, bevor sie an zwei ionische Säulen in der Fortsetzung der mittleren Strebepfeiler anschließt. Nach einem Sims beginnt mit schräg gesetzten kleinen Voluten der obere Teil des Giebels, dessen Seiten nach innen geschwungen sind und der nurmehr eine freistehende Wand ohne Bezug zum Dach ist.
All das ist kaum halb so hoch wie der rechts daneben stehende Turm und deutlich schmaler. Überhaupt ist es, als wolle der Barock der Kirche ihr menschliches Maß geben, sie kleiner, zierlicher wirken lassen. Die Haube drückt den Turm hinab. Die Pilaster leiten genau bis zum Anfang des Giebels hinab. Und im Giebel selbst steigt die religiöse Symbolik hinab von dem strahlenumkränzten Dreieck mit Auge im vertikal ovalen Fenster des oberen Teils zum großen Matthäus in der Nische zwischen den Säulen.
Mit dem unten auf einem Sockel stehenden, untypischerweise unterlebensgroßen Johannes von Nepomuk aus bemalter Keramik, dem die öffnungslose mittlere Wandfläche des Giebels eine Leinwand bildet, hat die Religion den Bereich der Menschen erreicht und die Kirche, so unwahrscheinlich das ob ihrer Bauvolumen ist, ein menschliches Maß bekommen. Statt eines fremdartigen Klotzes ist sie beinahe nur ein, selbstverständlich besonders prachtvolles, Haus unter den Häusern des Platzes. Das ist das Werk des Barock und war es noch, als der Nepomuk erst im frühen 20. Jahrhundert an seine Stelle versetzt wurde, denn die Architektur der Kirche verlangte ihn, wies ihm die Stelle zu.
Es gibt weitere Kirchen in Bechyně, recht symmetrisch verteilt, von denen aber keine die Bedeutung der Kostel svatého Matěje am Markt erreicht. Die Klosterkirche steht sogar direkt in einer Linie mit ihr, aber hinter den Häusern an der linken Seite des Platzes in einer Parallelstraße, so daß, da sie keinen Turm hat, nur ein steinernes Kreuz auf der Spitze ihrer Giebelseite und ein Dachreiter schüchtern herüberschauen.
Von Nahem ist sie ein gotischer Bau, mit dessen Vertikalität ein achteckiger barocker Anbau noch zu konkurrieren wollen scheint.
Erst von außerhalb, wo die hohen Felsen über der Lužnice sich gleichsam in den Strebepfeilern und Spitzbögen ihres Chors fortsetzen, wird sie zum wichtigen Teil des Stadtpanoramas, wichtiger vielleicht sogar als der Turm der Matthäuskirche, dessen plumpe Haube von hier nicht zu verstehen ist.
Die Friedhofskirche steht etwas außerhalb der Altstadt, aber genau in der Achse der Straße in der rechten oberen Ecke des Platzes, wobei sie nie bis zu ihr führt. Sie ist ein barocker Bau mit hoher weißer Pilasterfassade, die in zwei kleinen Türmchen endet, und fast ebensohohem achteckigem Saal mit oben angeordneten halbkreisförmigen Fenstern. Ihre interessanteste Idee ist die offene Laterne in der Mitte des geschwungen ansteigenden Dachs, zu der von allen Seiten quergesetzte Voluten führen.
Ein wenig ähnelt sie dem Anbau des Klosters, während beide mit dem menschlichen Maß der Chorgestaltung der Kirchen am Markt nichts gemein haben.
Schließlich ragt aus dem Schloßareal, also weit hinter der unteren Seite des Platzes, noch ein quadratischer Turm mit der typischsten barocken Haube der Stadt auf, aber der gehört nicht zu einer Kirche, obwohl das Schloß gewiß eine Kapelle hat.
Doch das ist fern, denn das Schloßareal, das aus einem Bau hinter der unteren Seite des Platzes, einem Park, nach einer Brücke dem eigentlichen Renaissanceschloß und komplizierten Festungsmauern- und türmen besteht, ist noch einmal so groß wie die Altstadt, eine Stadt für sich, ein zweites Bechyně. Wiewohl die Stadt einst als Anhängsel des Schlosses entstand, wirkt es heute eher andersherum. Mit dem Platz und der Kirche hätte Bechyně auch ohne Schloß mehr als genug.
Lange war das alles, eine schöne abgelegene Kleinstadt, ob gerade 1735, 1835 oder 1901 war, bedeutete kaum einen Unterschied, doch dann kam die Welt nach Bechyně.