Marbella House scheint erst einmal ein gänzlich unpassender Name für eine Wohnanlage, die einen gesamten Straßenblock im westlichen Zentrum der genannten Stadt an der Costa del Sol einnimmt, aber wie viele Gebäudenamen passen schon zu ihren Gebäuden. In diesem Fall paßt er sogar weit besser als gedacht, da das Gebäude auf sechs Geschossen drei Maisonettewohnungen hat, gestapelte Häuschen, von denen die untersten bis hin zu den kleinen straßenseitigen Vorgärten von Reihenhäusern ununterscheidbar sind. Die beiden oberen Maisonettes sind auf Stufen zurückgesetzt, so daß eine Terrassenstruktur entsteht, die durch die schrägen, also dreieckigen Wände zwischen den Wohnungen und die nach oben und innen abgeschrägten Brüstungen sogar die Anmutung einer Pyramide bekommt.
Das ganz aus weißem Beton und dunkelblauen Fensterrahmen und Metallelementen errichtete Gebäude nimmt die drei Seiten eines langgestreckten Blocks ein und ist an der schmalen vierten über die Dachterrasse eines Einkaufszentrums zum Meer geöffnet, während hinter ihm die felsigen Spitzen des Küstengebirges aufragen.
Nur an der geschlossenen Schmalseite sind die Maisonettestufen in den unteren Geschossen für Läden unterbrochen.
Außer von den pyramidenartigen Schrägen sind die Fassaden von schmalen eckigen, oben wiederum abgeschrägten Schornsteinen (denn zu einem Haus gehört ein Kamin), die auf der ersten Terrassenstufe beginnen und bis vor das Dach reichen, und von Rundbögen, wie sie ein Fenster oder eine Tür jeder der Wohnungen haben, bestimmt. Im siebten Geschoß, wo großzügig auf der Dachterrasse verteilte Penthousewohnungen sind, verbinden sich die Schrägen und die Rundbögen sogar, indem vierfache schmale Bögen in der Fortsetzung der Brüstungen schräg ansteigen und in ein horizontales Sonnenschutzgitter übergehen.
Was auf den Terrassenstufen und auch auf dem Dach eher Beiwerk bleibt, wird für die Eingänge in der Mitte der drei Seiten zum entscheidenden Gestaltungselement. Über die unteren vier Geschosse erstrecken sich schräg entsprechend der Wandschrägen der Stufen drei große Rundbögen und weitere, nun gerade, fügen sich unter dem Boden der Maisonettewohnungen in den beiden verbleibenden Geschossen, die durch dreieckig vorstehende Fenster betont sind, zu einem regelrechten Gewölbe zusammen, durch das man, nach Durchschreiten der hohen schwarzen Gittertore, ins Innere der Wohnanlage kommt. Am stärksten ist die Anmutung eines nicht mittelalterlichen, nicht römischen, sondern vielleicht babylonischen Stadttors an der rechten Seite, wo der Eingang unmittelbar die Wohnterrassen unterbricht.
An den beiden anderen Seiten ist die Konstruktion nicht anders, aber sie steht frei und ist mit den normalen Geschossen nur durch je zwei Brücken im fünften und siebten Geschoß verbunden, was den Kontrast zwischen Außen und Innen mildert und die Leichtigkeit der Brücken stärker als die monumentale Schwere der Rundbögen wirken läßt.
Bei diesen Eingängen und an der offenen Seite sind außerdem die Tiefgarageneinfahrten zu sehen und im Inneren kann man kleinere technische Bauten erahnen, die immer weißen Beton, blaue Fensterrahmen und Pyramidenschrägen oder Rundbögen haben. Hinzu kommt, in den Vorgärten und in der gemeinschaftlichen Fläche im Inneren, das Grün, wobei die Terrassen der oberen Maisonettes oder der Penthäuser offenbar keine integrierten Pflanzenbehältnisse haben. Was man von außen nicht erkennt, ist, daß dieselben gestapelten Maisonettes im Blockinneren vier weitere Höfe bilden – längliche neben der offenen Seite, einen dreieckigen in der linken und einen halbrunden in der rechten Ecke – in denen komplizierte Rampen, runde freistehende Treppentürme und lange Brücken die Wohnungen erschließen. Bloß das beim linken Tor vor dem Pförtnerraum stehende Modell, das eine weit engere Beziehung zum Strand und mehr Grün auf den Terrassen als in der Realität verspricht, bietet eine Ahnung der inneren Komplexität.
Die Architektur von Marbella House mag postmodernistisch sein, der „Arquitecto Miguel Oliver“, der sich in vorstehenden kleinen Edelstahlbuchstaben dezent und unauslöschbar an den Stützen der Eingänge verewigte, aber nur zwischen den Tiefgarageneinfahrten an der offenen Seite auch das Baujahr 1987 hinzufügte, hätte sie vielleicht selbst stolz so beschrieben, aber es ist ein Postmodernismus ohne Ornamente.
Die Evozierung früherer Epochen geschieht durch funktionale Elemente, die gewiß nicht genau so aussehen müßten, aber auch nicht wie etwas aussehen, was sie sie nicht sind. Es ist ein minimalistischer, so paradox das klingt: ehrlicher Postmodernismus. Daß das etwas Besonderes ist, zeigen bereits die unmittelbar angrenzenden Gebäude im westlichen Zentrum Marbellas.
Das Edificio Atrium in der links querenden Calle Pablo Casals (Pablo-Casals-Straße) gestaltet auf der einen Seite seine halbrunden verglasten Treppenhäuser als riesenhafte Säulen unter dem Dach als monströsem Gesims, während im für die leicht gestuften Balkone auf der anderen Seite rein gar nichts einfällt, was immer noch besser ist.
Die Gebäude in der angrenzenden Calle Arturo Rubinstein (Artur-Rubinstein-Straße) könnte mit heller, manchmal von schwarzem Streifen aufgelockerter Marmorverkleidung, teils über Parkplätzen aufgestützten Obergeschossen und Terrassenstufen mit Pflanzen in den nach oben und außen abgeschrägten Geländern grundsätzlich ebensogut 1970 wie 1990 erbaut worden sein, bloß woanders.
Wie um sich dafür zu entschuldigen, daß sie so zeitlos funktional luxuriös sind, hat eines vor einem zurückgewölbten Wandteil eine riesige kreisrunde Öffnung, über der mehrere kleinere sind, und rechts daneben eine dunkel verglaste Aufzugsröhre.
Die völlig funktionslose geometrische Form vor etwas, das einem zwischen Brandmauern geöffnetem Hinterhof gleicht, und das nicht mehr ganz neueste technische Gimmick sind der Tribut an Postmodernismus und achtziger Jahre, aber sie sind offenkundig ein Nach-, eine Nebengedanke.
Marbella House steht zwischen der vulgären Postmoderne und der sachlichen Luxusarchitektur und hat mit beiden, wiewohl postmodernistisch und luxuriös, letztlich keine Berührungspunkte, da es in erste Linie Häuser stapelt und in zweiter aus funktionalen Elementen archaische Anklänge gewinnt. Sein Name paßt gut.