Schwer zu sagen, ob derjenige, der dem Johannes von Nepomuk bei der Rossauer Brücke am Donaukanal eine Schiebermütze aufsetzte, wußte, was er da tat.
Vielleicht begriff er bei dieser mutmaßlich nächtlichen, mutmaßlich trunkenen Tat zumindest, daß die graue Farbe der Mütze gut zur grauen Farbe des Steins paßte, so gut sogar, daß dem kurzsichtigen Blick bei bestimmten Lichtverhältnissen lange nicht einmal auffällt, daß sie nicht Teil der Skulptur ist. Was den späteren Eingriff verrät, ist letztlich mehr die allzu forsche, allzu coole Art, wie die Mütze weit in die Stirn ragend auf den Locken des Heiligen sitzt, als ihr Unterschied zur typischen Nepomuk’schen Kopfbedeckung, dem vierkantigen Birett .
Doch damit irgendetwas von dem bemerkt werden könnte, müßte die Skulptur ja erst einmal angesehen werde, was an dieser stark befahrenen Kreuzung recht unwahrscheinlich ist.
Dabei würde es sich lohnen. Das Kruzifix in den Armen dieses Johannes von Nepomuk ist ungewöhnlich groß und er hält es noch über seiner Augenhöhe in einigem Abstand vor sich. Sein Blick geht leicht nach oben und hat nichts Verzücktes, Schwelgendes, ja, er wirkt geradezu, als ob er den kleinen Jesus am Kreuz nachdenklich musterte.
Verwandelt wird die Skulptur durch die Schiebermütze. Nun sieht man in dem bärtigen, scharfgeschnittenen Gesicht nicht mehr Johannes von Nepomuk, den Märtyrer aus dem 14. Jahrhundert und Star der habsburgischen Gegenreformation, sondern Jeremy Corbyn, den britischen Oppositionsführer und Star der linken Sozialdemokratie. Wer auch immer der Skulptur die graue Mütze aufsetzte, schuf also unfreiwillig ein neues, visionäres Kunstwerk. Es könnte heißen: „Premierminister Corbyn im kritischen Dialog mit dem Islamischen Staat“.
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