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Waalse Kerk Maastricht

Die Waalse Kerk (Wallonische Kirche) müßte nicht einmal direkt gegenüber der regelmäßig gotischen Oude Minderbroederskerk (Alten Minoritenkirche) stehen, um deutlich zu machen, daß sie anders ist als alle anderen Kirchen von Maastricht. Im Kontrast zu deren hellgelbem Sandstein besteht sie völlig aus rotem Backstein.

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Ihr vorgesetzter rechteckiger Turm hat unten vorne ein schlichtes Portal aus grauem Stein mit nicht mehr als der lateinischen Zahl 1732 und seitlich ovale Fenster, in der Mitte vorne einen hohen Rahmen mit flach rundbögigem Abschluß, in dem aber nur zwei vertikale Fensterschlitze sind, und oben vorne wie seitlich Fenster mit entsprechenden Bogen, verzichtet aber nach dieser fast monolithischen Kahlheit nicht darauf, nach dem schwarzen Zeltdach eine ebensolche Zwiebelform in den Limburger Himmel zu recken. Der dahinterliegende Saal ist achteckig, bis auf flach rundbögige Fenster, die kaum die Hälfte seiner Backsteinmauern einnehmen, völlig kahl und endet nach einem Kranzgesims mit einem Dach, das höher als der Turm und fast so hoch wie dessen Dach reicht.

Wäre nicht die Jahreszahl, es wäre kaum möglich, diesen so minimalistischen wie großen Kirchenbau zeitlich einzuordnen, und jede stilistische Einordnung ist ohnedies sinnlos. Denn nichts, gar nichts verbindet die Waalse Kerk mit der ebenfalls aus Backstein, aber in typischen Barockformen erbauten Augustijnenkerk (Augustinerkirche) unten am Fluß. Ihrem backsteinernem Barock gegenüber wäre sie nicht weniger anders als gegenüber der steinernen Gotik.

Dominiert die Vorderseite der Kirche die an ihr vorbeiführende Sint Pieterstraat (Sankt-Peter-Straße) durch ihre Größe und Kahlheit völlig, so scheint ihre Rückseite aus den niedrigen Bachsteinhäuschen der dortigen kleinen Tafelstraat (Tafelstraße) einfach organisch herauszuwachsen und vielleicht hat sie mit ihnen mehr gemein als mit den anderen Sakralbauten der Stadt. Von hier zeigt sich auch, daß der Turm ebensogut als den achteckigen Saal mittig durchdringender rechteckiger Baukörper verstanden werden kann.

Mehr verrät die Waalse Kerk von außen nicht, mehr will und muß sie nicht verraten, denn es kann schon auf den ersten Blick kein Zweifel bestehen, daß sie so anders als alle anderen Maastrichter Kirchen ist, weil sie so anders sein will.

Hausschilder in Maastricht

Fast jedes der älteren Häuser in Maastrichts Altstadt hat ein Hausschild mit Namen und Jahreszahl, das in der Mitte über dem Erdgeschoß hängt, so daß man sich noch immer gut ohne Hausnummern orientieren könnte. Ein manchmal farbiges, oft vergoldetes flaches Relief illustriert den Namen und macht ihn schon sichtbar, bevor man nah genug ist, ihn zu lesen, und auch für die, die nicht lesen können. Die Flächen können rechteckig sein, doch häufiger ist, daß die leicht erhabenen Steinbänder an ihren Seiten nach oben und innen geschwungen verlaufen und in die steinernen Fensterrahmen, die auch bei den Backsteinhäusern typisch sind, übergehen.

Zum Orangenbaum (Bilder zum Vergrößern anklicken)

Im einfachsten Fall sind die Häuser nach Tieren, Gegenständen oder Heiligen benannt, was die Darstellungen recht naheliegend macht.

Zum heiligen Georg

Außer der einheimischen Tierwelt sind auch der religiös verstandene Pelikan und, am anderen Maasufer in Wijk, der rein exotische “Oliphant” vertreten.

Oft kommt noch ein bestimmendes Adjektiv, oft “alt” oder “golden”, hinzu, aber dennoch wiederholen sich manche Namen, den „goude leeuw“ (goldenen Löwen) etwa gibt es mehrmals. Bei Verbindungen wie „A la montagne couronee/In den gecroonden Bergh“ (Zum gekrönten Berg) oder „Leeuwen steen“ (Löwenstein) ist die Darstellung nicht weniger eindeutig – ein grauer Berg mit angedeuteten Sträuchern, auf dem eine goldene Krone sitzt,

ein Fels, aus dem sich ein goldener Löwe aufbäumt

– aber in ihrer wortwörtlichen Wiedergabe des Namens, den man abstrakter verstehen können wollte, überraschen sie. Wenn zuerst ein goldener Kopf zu sehen ist, muß man jedoch schon den Namen kennen, um zu wissen, daß es um den, tatsächlich auch gut zu sehenden, braunen Bart geht: „In den brueyne baert“ (Zum braunen Bart).

Wenn ein goldener Löwe, ein weißes Schaf und ein schwarzer Wolf zusammen stehen, reicht die Darstellung vollends nicht mehr aus, den Namen zu verstehen: „In de duysent vrees“ (Zu den tausend Ängsten).

Was wie ein ganz einträchtiges Beisammenstehen der drei Tiere aussieht, zeigt das Schaf im Gegenteil von allen Seiten bedroht.

Die allermeisten erhaltenen Hausschilder sind aus dem 18. Jahrhundert, aber nicht nur die Ladenräume darunter veränderten sich im Laufe der Jahrhunderte völlig und enthalten nun Geschäfte, wie sie aus allen möglichen Fußgängerzonen vertraut sind, manchmal wurden die alten Schilder auch in die Fassaden neuer Gebäude eingefügt. Das Beieinander der Hausschilder und aktuellen Nutzer der Ladenräume sorgt für interessante Kontraste und Versäumnisse: KFC würde gut “In het haantje” (Zum Hähnchen) passen,

ist aber einige Häuser weiter „In de goude leeuw“, dessen Relief den goldenen Löwen mit einem großen Mörser hantierend zeigt.

Sehr selten sind neuere Schilder, die Gegenstände späterer Zeiten, etwa den auf die Maasbrücke gerichteten Photoapparat von „In den Kiekkas“ (Zum Guckkasten) zeigen.

Das Haus „In den steenen Bergh“  (Zum steinernen Berg) von 1669 ist entweder zeitunabhägig besonders aufwendig oder aber ein Hinweis darauf, daß die Hausschilder des 18. Jahrhunderts nur die ökonomischen Varianten jener des 17. sind. Von zwei ernsten Engeln nicht nur gerahmt, sondern gehalten ist in der Mitte über dem Erdgeschoß ein Schild, das voller kleiner Details den namensgebenden Berg zeigt: Ziegen klettern auf ihm, ein Bär schaut aus seiner Höhle.

Nicht nur das Relief, sondern die gesamte Fassade besteht, als sei das Haus selbst ein Berg, aus grauem Stein. Vom Hausschild ausgehend erstreckt sich ein Reliefband, das unter anderem Löwen und Ranken zeigt, über die gesamte Fassade.

Erst in der Mitte eines zweiten Reliefbands über dem zweiten Geschoß, das mythische Meeresszenen zeigt, steht die Jahreszahl.

Fast alle Hausnamen sind niederländisch, nur wenige zweisprachig mit Französisch, was daran erinnert, daß der französische Einfluß im äußersten Süden der heutigen Niederlande groß war und daß gleich hinter der Grenze der niederländisch- und der französischsprachige Teil des heutigen Belgiens aufeinandertreffen.

Zum roten Löwen

Ganz ohne bildliche Darstellung ist ein französischer Hausname das stärkste und direkteste geschichtliche Zeugnis, das sich an Maastrichts Häusern finden läßt: “Nous desiron la payx 1790” (Wir begehren den Frieden).

Kaum scheint es ein Name, sondern ein zwar in goldenen Buchstaben in einer ovalen Steinfläche unter einem Relief aufgehängter Stoffbahnen, aber in unsicherem Französisch über eine Haustür geschriebenes Flehen, das im Jahr nach der französischen Revolution und in den folgenden Jahrzehnten kaum erhöht wurde. Danach war die Welt verändert und die Zeit der Hausschilder vorbei.

Maastrichter Buchen

Die meisten Parks wissen mit Hängebuchen nichts anzufangen. Dabei sind es die Parkbäume schlechthin, skulptural, auffällig, raumgreifend. Sind Parks menschengestaltete Natur, so sind Hängebuchen Parks im Kleinen, da die Wuchsform ihrer Äste, die im eigentlich nicht einmal hängend, sondern umgedreht, von oben nach unten, zu nennen ist, in der Natur keinen Sinn ergibt und einzig durch menschliche Gestaltung entstehen konnte. Daß unter, in Hängebuchen ab einer gewissen Größe zeltartige, nicht einsehbare, obwohl leicht zu betretende Räume entstehen, wird in der Parkgestaltung jedoch gerade als Problem gesehen, da dort alle möglichen unerwünschten Aktivitäten geschehen können. Aus diesem Grund ist oft eine Seite zu einer belebten Freifläche offengehalten oder im schlimmsten Fall werden die Äste zu allen Seiten gekürzt, bevor sie den Boden erreichen, was den Baum seines größten Reizes beraubt.

Beispiel aus Gdańsk-Oliwa

Wie es aussehen kann, wenn Hängebuchen effektiv eingesetzt werden, zeigt der relativ kleine Waldeckpark in Maastricht, der zwischen einem Freibadgelände, den namensgebenden Festungsresten und zwei großen Durchgangsstraßen fast eingezwängt ist, aber doch mit alten großen Bäumen und diese zur Geltung bringenden Wiesen alle nötigen Bestandteile eines Parks hat.

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Zwei dieser Bäume am geschwungenen Hauptweg sind Hängebuchen und durch beide führt er hindurch: bei der ersten sind rechts, bei der zweiten links abgerundete Öffnungen in das ausladende Astwerk geschnitten.

Das ist vorbildlich. Der Baum, der ohnedies schon architektonisch wirkt, wird als Architektur begriffen und bekommt Torbögen, so daß der Parkweg nicht neben oder unter ihm, sondern durch ihn verläuft.

Das Menschengemachte des Parks wie des Baums wird nicht versteckt, sondern betont. Ganz nebenbei hilft der durch sie führende Weg auch, etwaige ungewünschte Nutzungen der Hängebuchen einzuschränken.

In Maastricht bekommen die Hängebuchen die Geltung, die sie als die Parkbäume schlechthin verdient haben.

Spitzes und Rundes in Maastricht

Von vorne ist die sogenannte Koepelkerk (Kuppelkirche), die eigentlich Heilig Hart van Jezuskerk (Herz-Jesu-Kirche) heißt, eine komplizierte Aufschichtung schwerer Sandsteinmassen, die schließlich zu den vertikalen Wänden und Fensterschlitzen des runden Kuppelbaus zusammenfinden und immerhin über den Eingängen in der Ecke und neben dem links anschließenden Backsteinhaus etwas weniger monumental sind.

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Ihre interessanteste Idee jedoch hebt sie sich für einige Fenster der Rückseite auf, in deren spitzbögiger Form untereinander zwei dünne flachere Spitzbögen und schließlich ein Rundbogen sind.

Diese Bewegung hinab vom Spitzbogen zum Rundbogen oder hinauf vom Rundbogen zum Spitzbogen ist ein Kommentar dieses ansonsten ortlos niederländischen, und nicht einmal zwangsläufig katholischen, Sakralbaus der Zwischenkriegszeit zur älteren Maastrichter Kirchenarchitektur, die nicht nur in den am zentralen Platz nebeneinander stehenden Sint Jan (Johanneskirche) und Sint Servaas (Servatiuskirche) vom Kontrast zwischen Romanik und Gotik geprägt ist.

Zur Ortslosigkeit der Kirche trägt ihre Lage bei, die wahnwitzig abgelegen erscheint, bevor man versteht, daß die hinter dem Bahnhof die Gleise kreuzende Straße, an der sie stand, heute als Tunnel unter ihnen verläuft, was sie völlig isoliert und immerhin alle Fragen nach Vorne und Hinten zweitrangig werden läßt. Daß sie von Maastricht weiß, behielt sie aber immer eher für sich.