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Johannes von Nepomuk zwischen Engeln

In Kłodzko steht Johannes von Nepomuk nicht nur mit anderen Heiligen auf der gotischen Brücke, die in den oberen Teil der Altstadt führt, und bei der Mariensäule beim Rathaus, sondern auch allein und größer vor der gotischen Kościół Wniebowzięcia Najświętszej Marii Panny (Mariä-Himmelfahrts-Kirche). Ist deren enger Bereich von preußischen Mietskasernen umstellt und entsprechend unangenehm, so hat Nepomuk immerhin den besten Platz gegenüber dem Eingang der Kirche.

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Die Skulptur entspricht ganz den Konventionen und der hohe Sockel trägt eine lateinische Inschrift und das Wappen des stiftenden Statthalters Maximilian Mitrowski von Mitrowiz.

Auch ist Nepomuk nicht ganz alleine, denn auf vier bis auf die Höhe des Sockels reichenden Säulen in den Ecken des ihn umgebenden Steingeländers stehen, nein, knien vier kleine Engelchen, die auf ihn bezogene Attribute tragen. Links vorne ist dies der Palmzweig der Märtyrer

und links hinten der zum Zeichen der Verschwiegenheit auf den Mund gelegte Finger sowie ungewöhnlicherweise ein Eichenzweig.

Den beiden rechten Figuren aber scheint etwas zu fehlen, das sie zwischen den unten und oben ausgestreckten Händen trugen, so daß sie etwas hilflos in einer sinnlos gewordenen Geste daknien.

Dasselbe ließe sich gewiß von barocken Heiligenskulpturen allgemein sagen, für die sich auch im katholischen, aber völlig marien- und papstfixierten Polen niemand mehr interessiert.

Für den Nepomukfreund aber ist diese Darstellung seines Lieblingsheiligen sogar besonders interessant, weil sie mit den vier Engelchen den Standardtyp der Nepomukdenkmäler ergänzt. Noch interessanter wird sie dadurch, daß im dreißig Kilometer westlich an der tschechischen Grenze gelegenen Lewin ein ähnlicher Nepomuk steht und also vielleicht von einem der einstigen Grafschaft Glatz (Kłodzko) spezifischen Untertyp zu sprechen ist.

Auf dem Rynek (Marktplatz) von Lewin, der von der Straße, die ihn der Länge nach durchzieht, leicht ansteigt, steht Johannes von Nepomuk unübersehbar in der Mitte des unteren Teils. Weder ein kleines neues Denkmal links noch eines mit Grunwaldschwertern rechts oben und auch nicht die meist einfachen und schmucklosen Häuser können oder wollen mit ihm konkurrieren. Einzig ein riesiger Bau in der Mitte der oberen Platzseite mit geradezu rokokoartigen Blumenornamenten, zwei hohen Geschossen und einem großen, durch ein auffälliges gewelltes Sims geteilten Giebel vor dem Dach – ein Bau, der weder Kirche noch Rathaus ist und als freistehendes Schloß vielleicht weniger erstaunen würde denn als Teil einer Platzbebauung – zieht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich, doch anders als der frischrenovierte Nepomuk ist er in recht desolatem Zustand.

Der Lewiner Johannes von Nepomuk steht auf einem mit lateinischen Chronogrammen und einer deutschen Inschrift geschmückten Sockel, aber dieser ruht seinerseits auf einer weit über einen zweiten Sockel herausragenden quadratischen Plattform, in deren Ecken auf quadratischen Erweiterungen vier Engel angeordnet sind.

Sie stehen hier aufrecht und tragen, wiewohl halbnackt, wallende Gewänder, die sich auch über die Flügel auf ihren Rücken legen. Der links vorne hält ein offenes Buch, in das er zeigt, der rechts vorne einen fünfsternigen Heiligenschein, der rechts hinten eine Art runden Käfig mit einer Zunge, anderes Symbol der Verschwiegenheit, und der links hinten Ketten mit Handschellen.

Angesichts dieses Beispiels von 1717  kann man vermuten, daß die rechten Engelchen beim 1731 errichteten Nepomuk in Kłodzko einst Heiligenschein und Zungenkäfig hielten.

In Lewin jedoch sind die Engelchen nicht nur allegorische Zusätze zum Nepomukdenkmal. In einem Bogen von rechts unten nach links und weiter nach rechts oben verläuft auf der Rückseite der Skulptur, über Rock und Mantel des Heiligen, ein Band aus Wolken. Es kulminiert auf seiner in einer Ballung aus Wolken und Gewandfalten, aus der ein Arm ragt und einen Heiligenschein stützt.

Von vorne, nun links neben dem Kopf des Heiligen, erkennt man das schwebende Engelchen mit heiligenscheinumgebenem Kruzifix in den Armen.

Es präsentiert Nepomuk, der den Kopf zu ihm gewandt und eine Hand überrascht auf die Brust gelegt hat, sein Attribut, überreicht ihm das Kruzifix, das er von nun an tragen wird. Die Szene selbst gibt es öfter, aber wie sie sich hier mit den umstehenden Engeln verbindet, ganz konkret durch ein Band verbindet, ist meisterhaft. Während Nepomuk zumeist einfach dasteht und auch in Kłodzko einfach von Allegorien begleitet ist, wird hier eine ganze Geschichte voller Bewegung und Dramatik erzählt. Dieser Nepomuk allein genügt als Grund, das kleine Lewin zu besuchen.

Hinein nach Kłodzko

Vorgebirgslandschaft im Südwesten Polens, Dolny Śląsk, Niederschlesien, aber ganz anders als in der Metropole Wrocław, reizvoller, abwechslungsreicher, Tschechien schon nah. Eine Stadt: Kłodzko.

Der Hauptbahnhof liegt weit außerhalb, was sicher mit technischen Anforderungen des Eisenbahnwesens des 19. Jahrhunderts zu tun hat und somit heute rätselhaft ist. Man kann ihn ignorieren und stattdessen in Kłodzko Miasto (Kłodzko Stadt) aussteigen. Es ist ein nüchterner und einfacher Bahnhof, nur ein breiter leicht geschwungener Bahnsteig mit einem Dach aus Stahlträgern und grauem Wellblech.

BahnhofKłodzkoMiasto

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Die Stadt sieht man von hier als gedrängte Masse aus Häusern und Türmen am Hang, über der die abweisenden Mauern einer Festung aufragen. Vor dem Bahnhof ist ein großer Platz mit dem aufsteigenden Vordach des Busbahnhofs, leerstehenden Buden, einem einsamen Mietskasernenteil, und Kłodzko wirkt noch immer nicht einladender.

BlickKłodzkoMiasto

Doch ehe man sich versieht, läßt die Stadt einen herein und nimmt einen auf. Eine großzügige Unterführung mit Läden führt auf die andere Seite einer großen Straße, die man so kaum bemerkt.

UnterführungKłodzko

Dann wendet man sich nach rechts und eine stählerne Brücke führt über die Nysa (Nysa Kłodzka, nicht zu verwechseln mit der Nysa Łużycka, dem Grenzfluß weiter im Westen).

StahlbrückeKłodzko

Schon ist man im unteren Teil der Altstadt, wo mehr als die vielfach veränderten alten Häuschen die Mietskaserne links auffällt, die daran erinnert, daß hier, so unwahrscheinlich das in dieser Landschaft scheint, einmal Preußen war. Fast lückenlos schließt sie an die Rückseite der barocken Franziskanerkirche an.

MietskaserneFranziskanerkicheKłodzko

Zwischen kleinen Häusern mit Geschäften geht es hinauf und schon steht man auf einer gotischen Steinbrücke mit barocken Skulpturen, die in sanfter Steigung hinauf in den oberen Teil der Altstadt führt.

GotischeBrückeKłodzko

Vier nicht sehr spitze Bögen spannen sich zwischen drei Pfeilern und den Seiten über den Kanał Młynówka (Mühlenkanal) und die Wege an seinem Ufer.

GotischeBrückeSeiteKłodzko

Unweigerlich verspürt man hier in der tiefsten polnischen Provinz einen Hauch von Prag. Aber diese namenslose Brücke in Kłodzko begeistert eher noch mehr als die Karlsbrücke. Anders als bei dieser, die heute eben eine von vielen Prager Brücken ist, spürt man bei jener die enorme städtebauliche Bedeutung sofort und unmittelbar. Sie muß genau dort sein und genau diese Steigung haben. Prag würde heute auch ohne die Karlsbrücke noch funktionieren, Kłodzko ohne diese seine Brücke nicht.

Der Weg hinein nach Kłodzko ist somit ein Weg durch Jahrhunderte der Stadtplanung, eine Leistungsschau, eine Parade. Erst die Unterführung, ein Werk des Sozialismus, dann die Stahlbrücke, aus kapitalistischer Zeit, und schließlich die Steinbrücke, ein Meisterwerk des späten Mittelalters. Sie ist nicht wichtiger als die anderen beiden Bauten des Weges, aber doch sein glanzvoller Höhepunkt.

Während die Gotik die ingenieurstechnische Arbeit leistete, steuerte der Barock eine vielsagende Auswahl an Skulpturen bei, die zu beiden Seiten auf den Pfeilern stehen. Unten links der heilige Wenzeslaus (Václav auf Tschechisch, Wacław auf Polnisch), der als Patron Böhmens die enge Verbundenheit der Gegend zum Nachbarland zeigt, und rechts der heilige Franz Xaver, exotische zu bekehrende Völker zu seinen Füßen, der auf eine jesuitische Präsenz hinweist. In der Mitte links eine kleine Pietà und rechts eine Kreuzigungsszene, die größte der Skulpturen. Oben links der heilige Johannes von Nepomuk, der hier einmal besonders gut paßt, weil er von der Karlsbrücke gestürzt worden war, und rechts die Krönung Marias durch den dreifaltigen Gott.

Den Eingang in den oberen Teil der Altstadt rahmen dann preußische Gebäude, wobei das linke für diesen Kontext geradezu wahnwitzige Dimensionen hat. Durch einen kleinen Eingriff schuf der polnische Sozialismus aber ein Gegengewicht dazu. Es ist ein einfaches fünfgeschossiges Wohngebäude in der Häuserzeile etwas rechts der Ecke, grauer Putz, bunte Balkonöffnungen.

KreuzTerrasseKłodzko

Das ob der Steigung nicht hochgelegene zweite Geschoß ist durchgehend verglast und hat eine große aufgestützte Terrasse, auf die rechts nach der Brücke eine Treppe führt. Wo Preußen nicht mehr als ein typischer historistischer Klotz einfiel, schuf die fortschrittliche polnische Architektur ein zartfühlig auf den Ort abgestimmtes Gebäude. Kein schönerer Platz als diese Terrasse, um auf die Brücke und über die zurückliegenden Teile der Stadt ins Umland zu schauen (die domowe obiady, hausgemachten Mittagessen, in der Bar Kryształowa, zu der sie gehört, sind ebenfalls empfehlenswert).

GotischeBrückeTerrasseKłodzko

Nur noch ein Stück weiter die Straße nach der Brücke hinauf und man ist auf dem Hauptplatz von Kłodzko, dem Plac Bolesława Chrobrego. Auch er liegt noch am Hang und wird vom riesigen Neorenaissancerathaus freundlich ausgedrückt in zwei Teile geteilt, weniger freundlich ausgedrückt zerstört.

Aus Kostrowicka, Irena/Kostrowicki, Jerzy: Polen – Landschaft und Architektur, Warschau 1980

Aus Kostrowicka, Irena/Kostrowicki, Jerzy: Polen – Landschaft und Architektur, Warschau 1980

Auch der hohe Turm, dessen von schlanken Säulen getragener Umgang noch die Herkunft aus der wirklichen Renaissance verrät, kann diesen preußischen Klotz nicht retten. Den Blick auf die nun schon nahe Festung versperrt eine historistische Häuserzeile, die wohl aus den späten Achtzigern stammt und ähnlich banal und traurig auch in Westeuropa hätte gebaut werden können.

PlatzKłodzko

Die Festung und die Hanglage setzen den Ausbreitungsmöglichkeiten der Altstadt enge Grenzen und so ist sie denn nicht mehr als einige Straßenzüge links des Platzes. Die Gebäude sind eine Mischung aus Altem und Preußischem, manchmal unspektakulär aufgelockert durch etwas aus der sozialistischen Zeit.

AltstadtKłodzko

Darin steht eine große und trotz barocker und neogotischer Umbauten sehr schlichte gotische Kirche. Auch finden sich, wie überall, Kleinodien, Gewagtheiten und Kuriositäten.

Etwa ein kleines Gebäude aus der Zwischenkriegszeit,

ArmiiKrajowej9Kłodzko

dessen beiden Obergeschosse mit glattem ockergemasertem Stein verkleidet sind und leicht vorgesetzte seitlich abgerundete Fensterbänder haben, was etwas von der Stromlinieneleganz Breslauer (Wrocławer) Kaufhäuser in die Provinz bringt, während der angedeutete Treppengiebel noch der älteren Umgebung Reverenz erweist.

ArmiiKrajowej9FensterKłodzko

Oder der Eckbau aus den Fünfzigern, Sechzigern, der über der zurückgesetzten Ecke ein reliefgeschmücktes Teil eines Vorgängerbaus verwendet,

ArmiiKrajowejWojskaPolskiegoEingangKłodzko

während die Geschosse darüber ein betont modernes rotes Gittermuster haben.

ArmiiKrajowejWojskaPolskiegoKłodzko

In der Czeska, der Tschechischen oder Böhmischen Straße, finden sich unter grauem Putz noch letzte deutsche Aufschriften.

BäckereiCzeskaKłodzko

Von außen ist die Altstadt manchmal ein Gewirr mehrebiger und gänzlich unpreußischer Hinterhöfe, Hügellage als Garantie des Pittoresken.

HinterhöfeKłodzko

Was vom Bahnhof so durcheinander schien, hat sich dank der einleitenden städtebaulichen Dreifaltigkeit aus Unterführung, Stahlbrücke und Steinbrücke aufgegliedert und läßt sich klar erfassen. Kłodzko ist, obwohl es außerhalb des Zentrums noch mehr gibt, nicht mehr und nicht weniger als ein Provinzstädtchen, aber voll jener Reize, die ein solches manchmal haben kann. Sein Hauptbahnhof paßt zu ihm. So wie er weit von der Stadt entfernt ist, liegt Kłodzko selbst in einem gebirgigen Zipfel, der zu drei Seiten von Tschechien umgeben ist, weit außerhalb der eintönigen Ebenen, die einen Großteil Polens ausmachen.

„Lieber Axe Anarchy als Anarchismus“

Überall in Wien sieht man anarchistische Slogans,

AnarchistenFavoriten

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Plakate,

AnarchistenLeopoldstadt

Aufkleber. Die Anarchisten sind die mit Abstand wahrnehmbarste linke Gruppe der Stadt.

AnarchistenMargareten

Für den deutsche Verhältnisse Gewöhnten ist das recht überraschend, da in Deutschland immer die Antifa diese Rolle einnimmt. Das anarchistische A hingegen ist dort nur noch wenig mehr als ein unpolitisches Accessoire für Punks und solche, die es sein wollen. Die Antifa hat eine eher vage politische Ausrichtung, aber die unzweifelhaft sinnvolle Fokussierung auf ein praktisches Ziel: den Kampf gegen Faschisten. Was aber wollen Anarchisten?

Am prägnantesten ist das Denken der hiesigen Anarchisten in einem Aufkleber zusammengefaßt, auf dem da steht: „Alle Politiker sind Arschlöcher. Überall.“

AnarchistenHeiligenstadt

Diese Aussage mag durchaus wahr sein. Es ist durchaus möglich, daß es nötig ist, ein Arschloch zu sein, um ein Politiker zu sein. Bloß was sollte daraus folgen? Solange man keinen persönlichen Umgang mit jemandem hat, kann einem seine Persönlichkeit völlig egal sein. Ein Politiker soll kein guter Mensch sein, sondern gute Politik machen. Wäre Lenin beispielsweise pädophil gewesen, so änderte das nichts, rein gar nichts an der segensreichen weltverändernden Wirkung seiner und seiner Partei Politik. Genau das ist es ja, was die Anarchisten ignorieren: die Partei. Eine Partei ist eine Organisation, die dafür sorgt, daß die Persönlichkeiten der individuellen Mitglieder und insbesondere der Politiker dem politischen Ziel untergeordnet werden. Die Partei sorgt dafür, daß es ganz egal ist, ob man ein Arschloch ist.

Diesen Zusammenhang aber wollen Anarchisten wie alle kleinbürgerlichen Idealisten nicht verstehen. Sie sind wie Kinder, die angesichts der offenkundigen Ungerechtigkeiten denken, man müsse nur ein guter Mensch sein, damit eine heile Welt entstehe, man müsse es nur ganz doll wollen. Daß sie diese heile Welt Anarchie oder klassenlose Gesellschaft oder was auch immer nennen, ist dabei nur ein Detail. Man kann den Anarchisten zugute halten, daß ihr Ziel, ganz wie das des Kindes, ein richtiges ist. Man kann sogar großzügig sagen, daß es mit dem Ziel der Kommunisten, das wir Kommunismus nennen, identisch ist. Bloß wissen Kommunisten, daß es nicht genügt, etwas zu wollen, damit es geschehe, sondern daß es zu jedem Ziel erst einmal einen Weg braucht. Diesen Weg nennen wir Weltrevolution, Diktatur des Proletariats, Sozialismus. Es ist ein Weg so schwer und weit, daß es verrückt wäre, auf ihm auf irgendwelche Hilfe, die sich anbietet, also auch die von Arschlöchern, zu verzichten. Dadurch, daß die Anarchisten die Notwendigkeit dieses Wegs bestreiten, diskreditieren sie auch ihr Ziel und sind, seit sie es vor hundert Jahren aufgegeben haben, Staatsoberhäupter und Könige zu ermorden, für die bürgerliche Gesellschaft bestenfalls ein harmloses Ärgernis, das eben ein paar Wände beschmiert, und schlechtestenfalls eine willkommene Beihilfe, die Gesellschaftskritik in idealistische Bahnen zu lenken.

Der einzige der anarchistischen Slogans in Wien, der geeignet sein sollte, den Betrachter zu einem Moment des Nachdenkens zu verleiten, besagt: „Weiße Wände = teure Mieten“.

AnarchistenWände

Anders als die sonstigen weltfremden Banalitäten enthält er so etwas wie eine Argumentation, wie einen Gedanken. Wer ihn liest, könnte für einen Moment seine Haltung zu beschmierten Wänden überdenken. Aber er müßte schon Anarchist sein, um zu meinen, diese seien ein besonders guter Weg zu niedrigeren Mieten und um nicht im zweiten Moment zu sehen, daß sie durch auf die Mieten umgelegte Reinigungskosten das genaue Gegenteil bewirken könnten.

Als letztes, um mit etwas Positiverem zu enden, ein Beispiel nicht aus Wien, sondern aus einem Land, wo man jede linke Regung ein wenig großzügiger zu betrachten hat: aus Polen. Im verlorenen Städtchen Kłodzko, im Park oberhalb der Festung, gibt es etwas, was man mit gutem Recht als ein anarchistisches Denkmal beschreiben darf. Die Überbleibsel eines anderen Denkmals, vielleicht eines sowjetischen Ehrenmals, sind hier anarchistisch umgestaltet.

DenkmalKłodzko

Wie das A auf den Obelisken und dann die Inschrift, übersetzt „Die beste Regierung ist die, die es nicht gibt“, auf den Sockel gesetzt sind, verrät ein großes Feingefühl, das weit über typische Schmierereien hinausgeht. Wirklich nur so, durch die Aneignung eines älteren Denkmals, kann ein angemessenes anarchistisches Denkmal entstehen. So ist es etwas Besonderes, ja, etwas Schönes, und auch, wer immer noch lieber von billigem Deodorant als von Anarchismus umwölkt wird, sollte das zu schätzen wissen.