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Banská Bystrica

SNP

Banská Bystrica ist die Stadt des Slovenské Národné Povstanie (Slowakischen Nationalaufstands). Sie ist es in dem Sinne, daß sie nicht nur wichtigster Schauplatz dieses Ereignisses war, sondern als ganze Stadt der Erinnerung an dieses gewidmet ist, ohne jedoch im geringsten Museum zu sein.

Deshalb, weil man Banská Bystrica wirklich nicht verstehen kann, ohne etwas über den Slovenské Národné Povstanie zu wissen, sei er hier kurz beschrieben. Der SNP, wie er abgekürzt heißt, war ein von Offizieren und kommunistischen Funktionären organisierter Aufstand gegen die Besetzung der kollaborierenden Slowakei durch deutsche Truppen im Sommer 1944. Etwa zwei Monate lang verteidigten die Aufständischen, unterstützt von sowjetischen Beratern, Waffen- und Hilfslieferungen, weite Teile der Mittelslowakei gegen die überlegenen deutschen Truppen, bevor sie sich zum Partisanenkampf in die Berge zurückzogen. Weil hier der klerikal-faschistischen slowakischen Regierung die Legitimität aberkannt und die tschechoslowakische Exilregierung in London in ihr Recht gesetzt wurde, wurde der SNP zu einem der wichtigsten Symbole der Neuschaffung der Tschechoslowakei 1945, und weil in ihm kommunistische Funktionäre wie der spätere Präsident Gustáv Husák und die Sowjetunion eine so wichtige Rolle spielten, wurde er nach 1948 zum umso wichtigeren Symbol der Schaffung einer sozialistischen Tschechoslowakei. Banská Bystrica, die größte Stadt der Mittelslowakei, war das Zentrum und Sitz der militärischen wie zivilen Leitung des Slowakischen Nationalaufstands.

Entsprechend steht im Herzen der Stadt das Pamätník SNP (Denkmal des SNP). Es hat eine schwer faßbare, unregelmäßige Form: zwei nach außen gewölbte Betongebilde, die geradezu zu schweben scheinen, und der schmale gerade Bereich zwischen ihnen, vergleichbar vielleicht einem Kieselstein, der mit Diamantklinge in zwei Teile zersägt wurde.

Aus Vebr, Jaroslav: Soudobá architektura ČSSR, Praha 1980

Aus Vebr, Jaroslav: Soudobá architektura ČSSR, Praha 1980

Ein Gebäude, gebaut ikonisch zu sein, überhaupt nur halb Gebäude und halb schon abstrakte Skulptur, und ikonisch auch deshalb, weil es in der sozialistischen Tschechoslowakei zu den meistabgebildetsten und damit bekanntesten überhaupt gehörte. Aber wie so oft zeigt ein Bild dieses Gebäudes zu wenig. Wie ein jedes Gebäude wäre auch das Pamätník SNP nichts, oder jedenfalls weit weniger, wenn es nicht so gut in die Stadt eingeordnet wäre, ganz wie ein Herz ohne Körper recht nutzlos ist.

Vom Bahnhof zum Pamätník

Schon in der Bahnhofshalle empfängt einen der SNP. Über ihrem Ausgang bunte Glasbilder, die zum einen die alten Wahrzeichen anderer mittelslowakischer Städte, zum anderen aber zwei Männer in Trachten, die in den Himmel blicken, und in der Mitte einen Sowjetsoldaten mit Kind im Arm und einen Partisanen mit Maschinenpistole, hinter dem Fallschirme vom Himmel fallen, zeigen.

StanicaBanskáBystrica

(Bilder zum Vergrößern anklicken)

Tritt man hinaus, stehen auf Sockeln in der Vortreppe zwei überlebensgroße Figuren, die einen Industriearbeiter und einen Waldarbeiter zeigen. Auch ihre Blicke sind in den Himmel gerichtet, als erwarteten sie von dort ein Signal zum Handeln. Die Fallschirmspringer, aus der Sowjetunion eingeflogene Unterstützung, werden so als wichtiges Thema des SNP erkennbar.

Vom Bahnhof gelangt man auf Brücken über eine tiefergelegene Schnellstraße. Banská Bystrica empfängt einen bloß mit spätstalinistischer Bebauung aus den Fünfzigern, aber die ist ebenso wie die Straße schnell vergessen, wenn man den querenden zentralen Bereich der Stadt erreicht hat: die Trieda SNP (Allee oder Boulevard des SNP). Als langgezogener Parkstreifen führt sie auf das Pamätník SNP zu, das aber noch so fern ist, daß es kaum wichtig erscheint. Der Name ist wohl gewählt, denn die Trieda SNP ist, frei von Autoverkehr, nicht Straße, aber auch nicht bloß Park: sie ist ein Boulevard neuen Typs. Bestimmt wird sie von vier dreizehngeschossigen Wohnhochhäusern an ihrer rechten Seite, die ihr die Schmalseiten zuwenden, und einem sehr langen zweigeschossigen Ladentrakt davor. Vor den Läden verläuft ein großzügiger Fußgängerbereich und lädt zum Einkaufen ein, während links davon der Park mit abwechslungsreichen Beeten, Wiesen und Baumpflanzungen zum Ausruhen einlädt.

Den Abschluß des Parkstreifens bildete ein Denkmal für Lenin. Auf einem großen, aber nicht hohen Sockelfeld aus glattem roten Stein, in dessen verschiedene Ebenen komplizierte Linien- und Kreismuster eingekerbt sind, erhob sich das überlebensgroße bronzene Ebenbild des Revolutionärs.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Gleich dem Spaziergänger, der die Trieda SNP entlangkam, stand er da, die Arme in die Hüften gestützt, und blickte über die querende Straße und den nach ihm benannten Platz zum Pamätník SNP. Vom Lenindenkmal blieb nur der Sockel und der Námestie V. I. Lenina (W.-I.-Lenin-Platz) heißt heute Námestie Slobody (Freiheitsplatz), aber der Blick zum Denkmal ist unverändert.

Jenseits der Straße, wo auch die Oberleitungsbusse, wichtigstes öffentliches Verkehrsmittel der Stadt, halten, ist der Námestie V. I. Lenina eine weite offene Fläche, die nur an den Seiten mit Hochbeeten intimer gestaltet ist. An seiner rechten Seite folgt auf eine Bankfiliale ein langes fünfgeschossiges Wohngebäude mit Läden im Erdgeschoß, das gar nichts besonderes an sich hat und vielleicht gerade deshalb so gut an diese exponierte Stelle paßt. An seiner linken Seite zuerst das Dom Kultúry, ein langgestrecktes dreigeschossiges Mehrzweckgebäude, das durch den Wechsel geschlossener weißer Wandflächen und verglaster Flächen zwischen den vorstehenden horizontalen Geschoßböden wirkt. Dann das Hotel Lux, das über einem zweigeschossigen Sockelbau fünfzehngeschossig aufragt (im Bild beide von der platzabgewandten Seite). Das Hotelhochhaus ist so die klare Höhendominante des Zentrums von Banská Bystrica, aber wie alles will sie nicht mehr als Teil des dezenten, aber deshalb nicht unwichtigen, Rahmen des Pamätník SNP sein.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Man ist ihm nun schon nah und sieht seine zweigeteilte Betonform vor dem Panorama der Hügel und Berge jenseits der Stadt schweben. Zwischen den beiden Hälften erkennt man nun auch eine große Bronzeplastik, überlebensgroße menschliche Gestalten.

Aus Pechar, Josef: Československá architektura, Praha 1979

Aus Pechar, Josef: Československá architektura, Praha 1979

Vor dem Denkmal erstreckt sich ein Park, zu dem vom Platz eine Treppe hinabführt. Mittig und rechts nur freie Wiese, links aber ein wirklicher Park mit alten Bäumen und Spielplatz. Der Weg führt nun nicht gerade, sondern nach rechts geschwungen auf das erhöht gelegene Pamätník zu. Auf diese Weise wird die, durch ihre Vielgestaltigkeit ohnehin schon sehr aufgelockerte, Achsenstruktur von Trieda SNP und Námestie V. I. Lenina noch einmal gebrochen und jede einschüchternde Monumentalität verhindert. Neben dem Weg, am Fuße des Hangs, eine dreieckige Betonfläche mit vielen Fahnenmasten. Erst danach führt eine breite Treppenanlage hinauf zum Denkmal.

Aus Československo, Praha/Bratislava 1988

Aus Autorenkollektiv: Československo, Praha/Bratislava 1988

Beim Pamätník

Mit jedem Schritt werden die vor einem schwebenden Betonelemente größer und die Plastik dazwischen besser sichtbar. Wenn man oben auf der Terrassenebene vorm Denkmal steht, ist fast alles Beton. Die flache Umrandung und die Bodenplatten, die fensterlosen Außenwände des Sockelbaus, die beiden Stützen und schließlich die Außenseiten des Denkmals selbst, dessen äußerste Spitzen vor einem schweben. Von Nahem, wo die horizontale Maserung des Betons zu erkennen ist, ist es nicht mehr in seiner Gesamtheit zu überblicken. Doch das ist auch nicht mehr nötig, denn all der Beton ist gleichsam die Hülle, die das Innere des Denkmals liebevoll umgibt. Man tritt denn ein in jenen Schnitt zwischen der höheren rechten und der niedrigeren linken Hälfte des Denkmals. Die Wände des Sockelbaus beschreiben einen leichten Schwung nach vorne, um die Öffnung noch einmal enger zu machen. Die Innenseiten bestehen ganz aus leicht golden verspiegeltem Glas und schmalen Stahlstreben. Im hinteren Teil verbindet ein gläserner Brückentrakt die beiden Hälften. Unter den beiden Hälften des Denkmals, die auch hier noch schwebend schwerelos wirken, ist der Sockelbau weit zurückgesetzt. Rechts ist eine Glasfläche mit dem Eingang, während links an der Betonwand die Namen der Kampfschauplätze und der am SNP beteiligten Nationalitäten stehen. Der Zweiteilung des Denkmalgebäudes entspricht auch die Struktur der Ausstellung im Inneren, da sie sich in seiner rechten Hälfte dem zweiten Weltkrieg allgemein und in der linken dem Slowakischen Nationalaufstand im besonderen widmet.

In der Mitte des Denkmals steht die Bronzeplastik, die man schon von weitem erahnte und der man nun nicht mehr entgehen kann. Sie zeigt auf einem flachen Sockel ein Bündel menschlicher Körper, die Köpfe nach rechts unten, die Beine in bizarrer Steifheit nach links ausgestreckt, die Hände nach vorne geöffnet. Aus ihnen nach oben emporragend nur drei Gestalten, deren Körper aber auch nicht klar auseinanderzuhalten sind. Mit den anderen scheinen sie in ein einziges Tuch gehüllt. Dem rechten Kopf fehlt das rechte, dem linken das linke Auge, nur der mittlere, der auch der höchste ist, ist völlig ausgeformt und blickt mit unklarem Ausdruck zur rechten Seite. Genau diese drei Gesichter kann man auch in der Scheibe gespiegelt sehen. Wie sehr die Plastik und das Gebäude eine Einheit bilden, merkt man so wirklich, wenn man im Brückentrakt steht und in den schluchtartigen Bereich zwischen den Hälften des Denkmals hinabschaut. Man hat plötzlich die Assoziation von Körpern, die in ein Massengrab geworfen wurden, und das von unten bloß bizarre Leiberbündel bekommt einen erschütternden Realismus. Ein Mangel der Plastik „Obete varujú“ (Die Opfer warnen) ist jedoch, daß sie zwar in großer Stärke das Leid der Opfer darstellt, aber nicht ihren Kampf oder auch nur ihr Bewußtsein, gekämpft zu haben. Es war deshalb nicht völlig ungerechtfertigt, daß die Plastik Anfang der Siebziger nach Kalište, den Schauplatz eines von den Deutschen verübten Massakers, versetzt wurde und erst 2004 an seinen angestammten Platz zurückkehrte.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Die zwei silbernen Stahlstreben mit Hammer und Sichel, die stattdessen in der Zwischenzeit in der Mitte des Pamätník standen, können aber leider auch nicht als umfassendere Darstellung des SNP gelten. Nötig wäre eine Verbindung von beidem gewesen.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Auch die engere Umgebung des Denkmals beschränkt sich nicht auf dieses. Wendet man sich vor ihm nach links, kommt man zu Resten einer Mauer und einem dicken, beigegetünchten Turm mit kleinen Schießscharten und braunen Dachziegeln, Teilen der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Obwohl diese Mäsiarska Bašta (Fleischerbastei) und das Pamätník SNP aus so verschiedenen Zeiten stammen und so unterschiedlichen Zwecken dienen, haben sie doch einen gewissen Eindruck der Wehrhaftigkeit gemein und passen gut zusammen. Auf der anderen Seite des Denkmals, die keinesfalls eine Rückseite ist, befindet sich ein weiterer kleiner Parkbereich. In der Verlängerung des Durchgangs zwischen den Hälften des Denkmals kommt man auf einen runden Platz, in dessen Mitte ein die Formen des Denkmals aufgreifender Brunnen steht und dessen rückwärtigen Rand ein dreistufiger Amphitheaterbereich aus weißem Beton bildet.

PamätníkRückseite

Im rechten Teil des Parks, zwischen Bäumen,  stehen auf flachen Betonsockeln in Beeten mit großen Steinen allerlei sowjetische, tschechoslowakische und deutsche Panzer und Geschütze, die in den Kämpfen um die Befreiung der Tschechoslowakei zum Einsatz kamen, wobei die Kanonenrohre des deutschen Fabrikate auf den Boden gerichtet sind. Hier steht auch der in den Stahlwerken in Zvolen gefertigte Panzerzug, der neben den Fallschirmspringern für die Ikonographie des SNP sehr wichtig ist. Im linken, offenen Teil des Parks schließlich steht ein sowjetisches Transportflugzeug des Typs Li-2, mit dem 1944 Ausbilder, Kämpfer und Kriegsmaterial ins Aufstandsgebiet und Verletzte in die Sowjetunion gebracht worden waren. Zu seinem Eingang gelangt man auf einem breiten betongepflasterten Weg und hinauf über eine Treppe, die auch in jedem Wohnhaus der Stadt und überall sein könnte, was eine sehr gute Art ist, den musealen Charakter dieses Kriegsgeräts aufzuzeigen.

Alt und Neu

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Diese gesamte fortschrittliche, sozialistische Zentrum von Banská Bystrica erstreckt sich in Ost-West-Richtung parallel zum südlich fließenden Fluß Hron, der dann im Westen um den Urpín, einen bewaldeten Hügel mit steilen Hängen, einen abrupten Bogen nach Süden beschreibt. Während der Fluß wegen der Schnellstraße an seinem Ufer für das Stadtzentrum leider wenig wichtig ist, ist der Urpín immer präsent, eine Art naher Stellvertreter des weiter entfernten Bergpanoramas. Ebenfalls spätestens ab dem Námestie V. I. Lenina sieht man etwas rechts des Pamätník, nördlich also, die Türme des alten Banská Bystrica.

Aus Československo, Praha/Bratislava 1988

Aus Autorenkollektiv: Československo, Praha/Bratislava 1988

Dort, wo die Türme aufragen, beginnt die Altstadt nach einer von Osten heranführenden Straße, auch so wirklich. Daß Banská Bystrica sich in seiner Vergangenheit immer verteidigen mußte, zeigt schon die erhöhte Lage seiner Altstadt und die von der Mäsiarska Bašta noch angedeuteten Maueranlagen, aber in seinem Kern zeugt die Mestský Hrad (Stadtburg) mit ihren eigene Befestigungsanlagen nicht nur vom einstigen Reichtum der Stadt, sondern auch davon, daß sie sich ihre Herren auch gegen die eigene Bevölkerung zu verteidigen hatten. Grundlage des Reichtums war der Kupferbergbau, für den die Stadt im 16. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum war, während ihn eine eine gemeinsame Gesellschaft der Fugger aus Augsburg und der Thurzos aus Kraków beherrschte. Verteidigen mußte sie ihn etwa im Jahre 1526, als Bergleute aus den umliegenden Bergen die Stadt besetzten.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Im Herzen des Burgareals rechts der Straße steht eine große Kirche in vor allem gotischen, aber auch noch Romanisches erkennen lassenden Formen, deren hoher Turm eine barocke Haube hat. Dahinter, zum ansteigenden Hang, den sich der Friedhof hinauszieht, weitere Gebäude, die nach innen teils gotische Fenster mit Glasbildern, teils Renaissancefenster haben, nach außen aber abweisendes Mauerwerk. Zur Straße hin steht ein quadratischer Renaissancebau, der nach innen von einem Balkon mit säulengetragenen Rundbögen umlaufen wird. Höhepunkt aber ist der Barbakan an der Ecke zur nächsten Querstraße. Als letzter Rest der Befestigung der Stadtburg, bestehend vor allem aus einem Tor und einem Turm, ist er eine eigentümliche Mischung von Wehrarchitektur und Zierformen. Nach außen zeigen Pechnasen und Schießscharten, aber auch Renaissancefenster. Der Turm hat einen dicken quadratischen Grundriß und sein unterer Teil ist klar gotisch. Der obere aber ist aus dem Barock. Er hat große rundbögige Fenster, dorische Pilaster an den Ecken und eine Haube, die der der Kirche entspricht, aber sie an Verzierung und Größe noch übertrifft. Charakteristisch für alle der beschriebenen Gebäude ist die Verwendung von rotem Randstein für die Ecken und die Fensterrahmen. Zur Querstraße hin öffnet sich das Burgareal mit Wiesen. Da die Straße tiefer liegt, ist am Hang eine Ladenzeile angeordnet, auf der der heutige Marktplatz ist. Mit diesem kleinen Eingriff wird die Burg viel stärker als je zuvor Teil der Stadt.

Ein Stück weiter mündet die Straße in einen großen, langgezogenen Platz, der leicht hangabwärts nach Südwesten verläuft und sich nach dorthin in vielerlei Zacken leicht verjüngt. Hier zeigt sich das alte Banská Bystrica in seiner ganzen Pracht. Der ganze Platz ist umgeben von zwei- oder dreigeschossigen Bürgerhäusern mit Renaissance- oder, seltener, Barockfassaden. Wie stellvertretend für die Stadtburg steht in der Mitte der oberen Platzseite ein schlanker barocker Turm mit großer Uhr un umlaufendem Balkon. Doch auch hier, inmitten des Alten, ist die jüngste Geschichte von Banská Bystrica nicht fern: der Platz heißt Námestie SNP (Platz des Slowakischen Nationalaufstands). Die Platzraum wird bestimmt von einer Mariensäule im oberen Teil und einem Brunnen aus Steinbrocken und dem Sowjetischen Ehrenmal im unteren Teil. Alle drei stehen in einer Achse, die ungefähr mit dem Turm beginnt. Gerade die Beziehung von Mariensäule, barock in schönster Schlichtheit, und Sowjetischem Ehrenmal, einem schwarzen Obelisken mit goldenen Aufschriften, zeigt schön die Verbindung von Alt und Neu, die die Stadt als Ganzes so prägt, während der Brunnen, ähnlich dem Hochstrahlbrunnen am Wiener Schwarzenbergplatz, bloß Ausdruck einer k.u.k.-Geschmacksverirrung ist.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Das Ehrenmal widmet „vďačná Banská Bystrica“ (das dankbare Banská Bystrica) den Helden der sowjetischen Armee unter anderen auch, weil sie „za vzkriesenie Československej Republiky“ (für die Auferstehung der Tschechoslowakischen Republik) fielen.

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Aus Bárta, Vladimír: Banská Bystrica, Martin 1984

Die alten und neuen Zentren von Banská Bystrica sind somit geprägt von den beiden Zeiten der größten Bedeutung der Stadt, dem 16. und 17. Jahrhundert mit seinem Bergbaureichtum und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Sozialismus. Sie sind, aller Unterschiede zum Trotz, auch durchaus verwandte städtebauliche Räume, beide langgestreckt, beide mit einem herausragenden Gebäudekomplex, der Stadtburg und dem PamätnÍk SNP, am Ende, was von der Feinfühligkeit der sozialistischen Planer zeugt. Einzig die Verbindung zwischen diesen beiden Zentren ist, wenn auch nicht schlecht, so doch nicht so klar ausgeprägt, wie beide es verdient hätten.

Der Kapitalismus hinterließ in Banská Bystrica viel weniger deutliche Spuren. Er prägte am stärksten den Bereich südlich der Altstadt, zum Ufer des Hron hin. Dort gibt es fast ausschließlich Mietskasernenbebauung aus der Zeit Österreich-Ungarns und der ersten Republik. Die wichtigste Straße dieses Bereichs, die heute Národná (Straße der Nation) heißt, erreicht man, wenn man im unteren Teil des Námestie SNP durch einen Tordurchgang in einem riesigen k.u.k-Verwaltungsbau geht. Und auch hier sieht man zuerst den SNP: genau in der Achse, jenseits von Fluß und Bahnstrecke, steht auf einer halbrunden Terrasse am Hang des Urpín ein Sockel mit der Sandsteinskulptur eines Partisanen, der in einen Mantel gekleidet und eine Maschinenpistole in der Hand mit in die Ferne gerichtetem Blick voranschreitet. Auf dem Weg dorthin passiert man das Národný Dom (Nationalhaus), in dem unter anderem ein Theatersaal ist. Es ist typische Repräsentationsarchitektur der ersten Republik, viel Steinverkleidung, vorm Eingang monumentale Pfeiler, die eine Terrasse tragen. Ein Schild erinnert daran, daß sich dort während des SNP Kommunisten und Sozialdemokraten zu einer neuen Partei vereinigten: zur Kommunistischen Partei der Slowakei.

Vereinigungsparteitag

Der gegenwärtige slowakische Kapitalismus schließlich zeigte sich überraschend feinfühlig, indem er fast alles des Beschriebenen beließ wie zuvor und ein Hochhaus, das zu einem großen Einkaufszentrum gehört, genau in die Achse des Námestie SNP setzte, so daß es eine nur als gelungen zu bezeichnende städtebauliche Einordnung bekommt.

Das heutige Banská Bystrica erstreckt sich dort, wo der Hron seinen Bogen macht, noch weit nach Süden, wo vor allem Industrie ist, und nach Norden, wo vor allem Wohngebiete sind. Die ganze Wandlung der Slowakei von einem rückständigen Bergland zu einem Land mit moderner Industrie läßt sich so in dieser Stadt ablesen. Symbolisch begann sie ja auch mit dem SNP und praktisch dann mit dem sozialistischen Aufbau. Nur angemessen daher, wie allgegenwärtig dieser ist. Auch heute noch, da der 70. Jahrestag des SNP naht, ist Banská Bystrica „mesto hodné odkazu bojovníkov Slovenského národného povstania“ (eine Stadt, die des Vermächtnisses der Kämpfer des Slowakischen Nationalaufstands würdig ist), wie es vor dreißig Jahren in einem Bildband hieß.