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Felsen und Dünen bei Puerto Etén

Vielleicht ist in der Saison alles anders, aber Anfang Oktober ist es schwer, Puerto Etén (Etén Hafen) im Norden Perus nahe Chiclayo als reizvollen Ort zu erleben. Der Strand ist voller Treibgut, die Promenade versinkt im Sand, in den Straßen mischt sich der Sand mit Staub, alle Eisenteile rosten im Pazifikwind, die Hälfte der historistischen Holzhäuser verfällt, während neue Backsteinhäuser in verschiedenen Stufen des Rohbaus sind, die wenigen Restaurants mit den immer gleichen – und sehr guten – Fischgerichten, streiten sich um jeden potentiellen Kunden.

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Wenn aber Puerto Etén nicht sehr reizvoll ist, so ist es seine Umgebung um so mehr.

Im Süden beim langen hölzernen Pier steigt der Strand zu hohen Sandklippen an, die sich um zwei unerreichbare Buchten legen und bis zu einer Felsspitze mit Leuchtturm führen, und dahinter erheben sich felsige Hügel, auf deren Spitzen zwei Kreuze und zwei kleine Ruinen mit einem verfallenden runden Turm sind.

Auf den Klippen ist wenig Vegetation und in den Hügeln verstecken sich nur Kakteen, kleine Sträucher und Agaven in den Nischen der schwarzen Steine, was sie im Kontrast zur wüstenartigen Ebene auf der meeresabgewandten Seite aber immer noch gleichsam fruchtbar wirken läßt. Sowohl der in Betrieb befindliche Leuchtturm als auch die Ruinen und der Turm, in dessen unter Betonschalen freigelegtem rostigem Stahlgerüst Rabengeier nisten, sind mit  eingeritzten Namen und sonstigem Text bedecht.

Sieht man von den Hügelspitzen eine Tankanlage an der folgenden flachen Küste, so blickt man vom Leuchtturm hinab auf einen versteckten Strandstreifen, der die ganze Idylle, die in Puerto Etén fehlte, verspricht.

Er hält das Versprechen nicht ganz oder anders, da er vor den Klippen aus einer lehmigen Sandfläche und direkt am Meer aus einem schmalen Kieselstrand besteht, aber die schwarzen Felsen, die am nördlichen Ende eine filigrane Nadel und am südlichen ein wellenumspültes Tor bilden, lohnen den Besuch allemal und die Kiesel sind so faszinierend vielfarbig wie gemütlich zum Liegen.

Auf dem Weg zum Leuchtturm könnte man beinahe übersehen, daß an einer offenbar besonders windgeschützten oder sonstwie geeigneten Stelle der stadtnäheren Klippen eine ganze Kolonie von Blaufußtölpeln nistet. Ständig sind sie in Bewegung hinaus aufs Meer in die Nähe der Fischerboote und zurück zu den Klippen, wo sie im Landeanflug ihre namensgebenden blauen Füße ausbreiten. Sie sind wie die Juwelen dieses Küstenabschnitts und man kann sie ohne weiteres von Nahem sehen, aber nach Puerto Etén kommen sie nie.

Im Norden beginnt bald hinter den letzten Häusern des Orts eine weite Dünenlandschaft. Wie Wellen anderer Art als die stetig anströmenden des Meers ist hier der Sand, in den der Wind temporäre Muster zeichnet. Nur eine oder zwei Arten von weit ausgebreiteten Fettpflanzen mit roten Zweigen, länglichen grünen Blättern und kleinen rosa Blüten bedeckt wie ein Teppich die Hügel und Täler aus Sand.

Mitten in den Dünen erhebt sich eine große Ruine, die sich deutlich von denen auf den Hügeln im Süden unterscheidet. An der Vorderseite sind um den rundbögigen Eingang der weiße Putz und die sechs blauen  und roten dorischen Pilaster noch gut erhalten und mit der Inschrift „Año“ (Jahr) links scheint auch eine wichtige Information einfach zugänglich, doch rechts ist von der verbliebenden Jahreszahl nur das „de 18“ eindeutig (vollständig wäre es 1892) .

Vom Saal der Kirche, die dies offenkundig war, verblieben nur eine Rückwand und vor ihr zwei verputzte dorische Stützen und die Ansätze bachsteinerner Bögen. Die übrigen, aus Lehmziegeln errichteten dicken Wände sind weitgehend eingestürzt, nur hinter dem Backstein an der Vorderseite erhielt sich noch viel, daß mit seiner abweichenden Giebelform sogar auf einen integrierten Vorgängerbau hinweisen könnte. Das gesamte Gebäude ruht auf einen Fundament aus schwarzen Steinblöcken, das auch seine Ruine davor schützt, vollständig in den Dünen zu versinken.

Obwohl die Kirchenruine sich nahe bei Puerto Etén befindet, weist nichts auf sie hin, während es vom weiter entfernten Ciudad Etén (Etén Stadt) eine Straße vorbei an einer neueren Kirche mit gläserner Fassadenmitte zwischen gelben Kachelflächen und mittigem Betonkreuz, von dem weiße Bögen wie Wellen nach außen führen, gibt.

Nebeneinander stehen damit die zweite und die dritte Kirche mit dem Namen „Divino Niño del Milagro“ (etwa: Göttliches Wunderkind), die für ein sogenanntes Hostienwunder aus dem Jahre 1649 errichetet wurden. Nicht nur ist die Ruine ein wichtiges Zeugnis der Geschichte des Orts und das Juwel der Dünenlandschaft, sondern man sieht hier außerdem die Naturkräfte, gegen die Puerto Etén anzukämpfen hat und die dazu führten, daß das erste Etén, Ort des Wunders, weiter ins Landesinnere verlegt werden mußte.

Zweifelsohne ist es ein Kampf, der sich gewinnen ließe, aber eher nicht für einen kleinen nordperuanischen Ort. Und vielleicht ist in der Saison alles anders.