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Kúpele Sliač: Hotel Palace

Wenn man das Hotel Palace von weiter oben im wohlgestalteten Kurpark von Sliač sieht, ist es bereits ein unverkennbar fortschrittlicher Bau seiner Zeit, der ersten tschechoslowakischen Republik in den frühen dreißiger Jahren: weiß und schnörkellos, durchgehenden Balkone mit horizontalen Stahlgeländern, zu denen sich große Fenstertüren öffnen und die durch oben abgerundete Querwände unterteilt sind, fast flache Kupferdächer. In der Mitte ist ein quergesetzter viergeschossiger Trakt, in dem links der Eingang mit seinem weit vorragenden und auf zwei runden Stützen ruhenden Vordach ist, und nach rechts verläuft ein längerer dreigeschossiger Bettentrakt.

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Das ist eine Hoteltypologie, die seitdem grundsätzlich unverändert blieb, aber zugleich durch den Innenhof, von dem man nichts ahnen würde, zeigt, wie sie sich aus den Hotels des 19. Jahrhunderts entwickelte. In Sliač ist dies erst der Anfang einer weit größeren Anlage, die das 19. Jahrhundert weit hinter sich läßt.

Links fügt sich an den Eingang ein zweigeschossiger Trakt, in dem unten Kolonnaden mit runden Stützen und oben eine Terrasse mit entsprechenden Geländern und Querwänden sind. Die Kolonnaden verlaufen nach links noch lange weiter, bald ohne Zimmer im Obergeschoß, und an ihrem Ende ragt rückwärtig ein weiterer viergeschossiger Trakt, in dem ebenfalls keine Zimmer sind, auf. Vor ihnen ist eine Allee, die dann in den Platz vor dem Kurhaus mündet und so das Rückgrat der Sliačer Badanlagen bildet.

In der Mitte öffnen sich die Kolonnaden nach innen und unter einem von den runden Stützen getragenen Dach, das durch große weiße Betonstreben in mehrere Quadrate unterteilt ist, in denen in kleineren Quadratrahmen lichtspendende Glasbausteine sind, führt eine breite Treppe hinab, während an ihren Seite Wege auf eine Terrassenebene und zu weiteren Kolonnaden auf der anderen Seite des Gebäudes führen.

Hier erst wird die enorme Hanglage des Hotel Palace offenbar. Die Treppe verläuft über drei Terrassenstufen mit abgerundeten Stahlgeländern, die zwei Geschossen entsprechen.

In ihrer Achse, bevor der offene Park beginnt, steht ein kleiner rechteckiger Pavillon mit zu beiden Seiten wie kleine Flügel weit abstehendem Flachdach.

An dieser Hangseite sind die von den schmucklosen weißen runden Stützen gebildeten Kolonnaden nunmehr also zwei Geschosse hoch und über ihnen sind auf der Terrassenebene weitere eingeschossige Kolonnaden, die von dort aus gesehen ebenerdig sind.

Nach links, wo die Bettentrakte des Hotel Palace sind, erstrecken sich zweigeschossige Zimmer, die im Erdgeschoß wiederum durch die abgerundeten Wände getrennt sind.

In der Verlängerung des Eingangstrakts folgt ein viergeschossiger Bettentrakt, der dann eine Ecke bildet, parallel zum oberen als lange gleichförmige Abfolge unterteilter Balkone, die sich zum Hang öffnen, verläuft und nach einer weiteren Ecke den Innenhof abschließt.

Rechts sind zuerst das Kino, zu dem ein bis vor die Kolonnaden ragender Balkon mit unten massiver weißer und oben stählerner Brüstung gehört, und vor ihm unter hohen Kastanien eine große Freilufttanzfläche aus hellem glattem Stein.

Sie ist schon wie die äußere Einleitung des anschließenden Quertrakts, in dem auf vier Geschossen die Säle von Restaurants und anderen Gemeinschafseinrichtungen sind. An seiner linken Seite setzen sich in den unteren beiden Geschossen noch die Kolonnaden fort und oben verläuft die Terrassenebene und vor dem vierten Geschoß ein weiterer, schmalerer Balkon.

Nach vorne jedoch, zum Tal hin, sind die unteren beiden Geschosse fast völlig verglast und in den beiden oberen Geschossen hinter der Terrassenebene sind die breiten zurückgesetzten Glasflächen wie gerahmt von einem schmalen Dachstreifen und weißen Wandflächen, in die auf halber Höhe von links der freischwebende Abschluß des Balkons und von recht, wo außerdem vertikale Fensterschlitze sind, eine ähnliche Terrasse der halb im Hang verschwindenden rechten Seite hineinragen.

In der Ecke zwischen Kino und Saaltrakt ragt der oben abschließende, dort viergeschossige Trakt auf, der nun aber wie ein Hochhaus wirkt, und seine Ecken sind durch große, sowohl vorgesetzte als auch vertiefte Balkone hinter eckigen Stützen völlig transparent. Auf dem höchsten Teil seines Dachs stehen große, schmale, ins Vertikale gezogene graue Buchstaben, die nach vorne „Kúpele Sliač“  (Bad Sliač) und zu den Seiten zusätzlich „Sliač“ besagen.

Das gehört schon nicht mehr nur zum Hotel Palace, sondern richtet sich mit den Fensterfronten des Saaltrakts und über sie hinweg an die Besucher, die den Weg in die Kuranlagen von Sliač hinaufkommen. Zwischen dem großen, teils in Dachterrassen ansteigenden Gebäude des rechts gelegenen Platzes des Kurhauses und dem Namen auf diesem Trakt des Hotel Palace empfängt Kúpele Sliač seine Besucher als Ort äußerster Modernität und es ist genau das. Hier ist in den dreißiger Jahren schon alles realisiert, wonach die fortschrittliche Architektur strebte.

Jedes Einzelteil ist beeindruckend und gleichsam vorbildlich, das heißt Vorbild für spätere Lösungen, und wäre es auch, wenn es alleine stände. Die Bettentrakte, die zwar durch den Innenhof der konservativste Teil der Anlage sind, aber deutlich machen, daß sie ebensogut, besser in Zeilenbauweise freistehen könnten.

Das Hochhaus mit dem Schriftzug, tschechoslowakischer Großstadttraum. Das Kino, das die modernistische, aber durch die dann eher zwecklosen Kolonnaden auch klassische Zierde jeder Kleinstadt wäre. Der Saal, dessen repräsentative, aber nicht monumentale Fensterfront auch bei manchem sozialistischen Kulturhaus der sechziger Jahre nicht anders aussieht. Die zweigeschossigen Zimmer, Höhepunkt des Luxus und sowohl minimalistische Reihenhäuser wie aus den fortschrittlichsten deutschen Siedlungen der zwanziger Jahre als auch Maisonettewohnungen wie aus den Entwürfen von Le Corbusier. Aber entscheidend ist, daß all das in einem einzigen enormen Gebäudekomplex untergebracht ist und in die Landschaft eingefügt wurde, um mit den anderen Gebäuden einen ganz neuartigen Ort entstehen zu lassen.

Nicht nur mit architektonischen, sondern auch mit städtebaulichen Begriffen muß das Hotel Palace fassen. Es ist letztlich eine bürgerliche Großwohneinheit. In der einen Hälfte das Wohnen, in der anderen die Gemeinschaftseinrichtungen wie Restaurants, Säle, Kinos, dazwischen unter den Kolonnaden auch Geschäfte, um die Treppe, die Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, Agora, Forum, ist, Cafés und ringsherum eine Parklandschaft mit Blicken über das weite Tal des Hron.

Ganz selbstverständlich, daß der Sozialismus viel damit anzufangen wußte. Schon während des SNP (Slowakischen Nationalaufstands) 1944 diente das Hotel Palace, wie mehrere Gedenktafeln besagen, als Militärkrankenhaus, später wurde es volkseigen. Vom sozialistischen Erbe lebt es noch heute ganz, die Leuchtschilder aller Einrichtungen, aber auch die Logos der Läden stammen als dieser Zeit, als es zuletzt renoviert wurde, ohne daß irgendwelche Um- oder Anbauten nötig gewesen wären.

„Schmuck“

Heute wie 1931: das Hotel Palace ist eine erstaunliche Anlage, die über typische Kurarchitektur weit hinausgeht.

Kúpele Sliač: Der Platz am Kurhaus

Wie viele Kurorte führt auch Sliač in der Mittelslowakei bei Banská Bystrica sein Bestehen auf ein absurdes mittelalterliches Datum zurück, aber das kann man ignorieren: das Bad Sliač, wie Kúpele Sliač übersetzt heißt, stammt aus dem 19. Jahrhundert, auch darin den meisten Kurorten gleich. Aus dieser Zeit erhielten sich noch einige Gebäude oberhalb des heute als alpiner Garten mit steingefaßten Wasserbecken gestalteten Hangs.

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Beim linken drei Geschosse und vorgehängte Balkone mit Eisengeländern, beim rechten zwei Geschosse und Dreiecksgiebel, harmlos banaler Historismus der Zeit, bevor er mit dem Ende des 19. Jahrhunderts gänzlich wahnsinnig wurde, weshalb ihnen auch nichts spezifisch Ungarisches (denn aus der Zeit, als die Slowakei zu Ungarn gehörte, stammen sie) anzusehen ist und sie auch in Frankreich oder Deutschland nicht anders aussähen. Daß, wie eine Gedenktafel besagt, die tschechische Schriftstellerin Božena Němcová, „prvá hlásateľka československej vzájomnosti“ (erste Künderin der tschechoslowakischen Gegenseitigkeit), gerade hier zur Kur war, ist eher ein Zufall. Heute sind sie nurmehr ein kleiner Teil der Sliačer Bäderarchitektur, bereits der hölzerne Trakt, der sie im zweiten Geschoß verbindet, ist wohl neuer.

Links von ihnen und quer steht ein weit größeres Gebäude, das unverkennbar aus der ersten tschechoslowakischen Republik ist: weißer Putz, schnörkellos kubische Formen, an der breiten Vorderseite große, fast geschoßhohe Fenster und in den Ecken hinter eckigen Stützen große Balkone, auf dem dritten Geschoß eine große Dachterrasse und nach einer Stufe eine weitere, so daß der Hauptkörper ob der leichten Hanglage fünf Geschosse hoch ist, an deren Breitseiten lange Balkonbänder mit Stahlgittergeländern sind.

Architektonisch hat mit diesem Gebäude eine neue Welt begonnen, aber sie nimmt die alte in sich auf, denn während links im Erdgeschoß Läden sind, zeigt der rechte Eingang, dessen dünnes Vordach auf zwei ebensolchen Stützen ruht, zu einem länglichen Platz, dessen Grundseite eben die alten Gebäude bilden.

Gegenüber, durch einen Brückentrakt mit dem weißen Gebäude verbunden und so lang wie die beiden alten zusammen, steht das Kúpeľný dom, das Kurhaus. Es hat vertikale Fenster auf drei Geschossen und vor dem vorgesetzten mittigen Eingang ein Sgraffitofries, das nackt Frauen in verschiedenen lockeren Posen mit Symbolen des Wassers und dem Sonnenball zeigt.

Dahinter ragt aus dem Dach ein runder Teil, der, wie ein Teil links, runde kleine Scheiben in Betonfassung hat, aber er soll weniger in die äußere Gestalt des Kurhauses hineinwirken als Licht in den zentralen Saal im Inneren lassen. Bei diesem eher konservativen Gebäude wäre kaum zu sagen, ob es aus den dreißiger oder den fünfziger Jahren stammt, aber einiges spricht für letzeres.

Der Sozialismus schuf somit unter der Verwendung sowohl der alten ungarischen Gebäude als auch der fortschrittlichen Architektur der ersten Republik einen wirklichen Ort, einen großzügig grünen und offenen Platz. Fast ebensowichtig sind die kleineren Details, durch die er den Platz zu einer Einheit machte. Er gab dem Kurhaus eine weiße Leuchtaufschrift und den alten Gebäuden in kleinen dunklen Metallbuchstaben die Namen detva und bratislava. Er setzte Kugellaternen an die nötigen Stellen und in die Mitte des runden Bereichs direkt vor dem Kurhaus einen runden Brunnen mit einer Blumenplastik, deren nach außen gebogene Blätter aus milchig weißem Kunststoff sind. Er baute hinter das Kurhaus auch weitere Gebäude, deren abgerundete Ecken, weißer Beton und braune Fensterbänder aber nur von hinten zu sehen sind.

Einzig am rechten Ende des Kurhauses, wo der Platz in die abfallende Achse des Quellenparks übergeht, ist ein schmaler Verbindungstrakt mit viel Glas, nach vorne ansteigendem Pultdach und zur Hälfte holzverkleideten Seiten angefügt. Vor ihm steigt nach dem Durchgang in den Park eine sanfte Rampe mit nach außen gewölbten Stahlgeländern an und führt auf eine Nische des zweiten alten Gebäudes zu, wo um einen grünen runden Pfeiler eine stählerne Wendeltreppe eingefügt wurde.

Von der anderen Seite sieht man, daß auch unter der Rampe ein nur teilweise aus der Wiese auftauchender verglaster Gang ist.

Der Platz bekam so durch den Sozialismus einen Abschluß, ohne geschlossen zu werden. Dem Kapitalismus der Gegenwart blieb es überlassen, alle Gebäude bis auf das Kurhaus leerstehen und verfallen zu lassen.

Doch all das, was nicht wenig wäre, ist nur derjenige Teil der Kuranlagen von Sliač, der rechts des vom Bahnhof im Tal hinaufführenden Wegs liegt, und damit kaum die Hälfte. Auf der anderen Seite ist das Hotel Palace.