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Eggerscheidt

Eggerscheidt in den Hügeln zwischen Ratingen, zu dem es gehört, und der Autobahn, zu der es keine direkte Zufahrt hat, ist offenkundig ein wohlhabender Ort. Doch wo man erwarten könnte, daß sich das in aufwendig renovierten Fachwerkhäusern und großen Einfamilienhäusern ausdrückt, gibt es, neben diesen, die sehr wohl vorhanden sind, viel Geschoßwohnungsbau der zumeist gehobenen, aber nicht luxuriösen Sorte, wie er in dieser Menge in der dörflichen Umgebung ungewöhnlich ist.

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Die Gebäude haben nie mehr als drei Geschosse, stammen vor allem aus den Siebzigern und nutzen daher oft Dachschrägen, ohne explizit historistisch zu werden.

Stellvertretend sei das Gebäude Hölenderweg 45 an der Ecke dieser sympathisch benannten Hauptstraße mit der in die Felder hinausführenden Straße Zu den Höfen beschrieben. Es hat zur ersten Straße eine Abfolge von sechs leicht abgestuften dunkelgrünen Garagentoren in weißen Rahmen, über denen nach der Hälfte die Schmalseite beginnt. Die beiden normalen und das eine unter dem Satteldach befindliche Geschoß bestehen zur Hälfte aus Fensterbänder und weißer Verkleidung und zur Hälfte aus vorragenden Balkonen vor dunklen Backsteinwänden, die nach rechts hin schmaler werden, wo sie oben im Dach enden und unten über die Ecke hinaus zur Breitseite zeigen. Hier, zur zweiten Straße hin, haben die beiden Geschosse, deren unteres nun hinter einer schmalen Wiese fast ebenerdig ist, abwechselnd mit den Fensterbändern zwei weitere vorgehängte Balkone, die, wie schon die Eckbalkone, nach vorne weiß verkleidet und zu den Seiten mit vertikalen Holzlatten geöffnet sind.

Das Entscheidende nun ist der Eingang, der direkt in der Ecke liegt. Nachdem diese schon in den Geschossen fast aufgelöst war, ist sie unten um eine einzige eckige Stütze aus dunklem Backstein ganz geöffnet. Eine Betonwand mit Hochbeet beendet die Wiese, während eine längere Wand mit vertikalen dunkelblauen Rillen vor den Garagen, in der auch ein weißes Leuchtschild mit dem Straßenamen und der Hausnummer sowie die silbernen Briefkästen und Klingeln sind, zu den doppelten grüngerahmten Glastüren führt. Es ist diese ganz und gar nicht dörfliche Eleganz, die für Eggerscheidt charakteristisch ist.

Überhaupt waren die Siebziger eine gute Zeit für dieses Dorf, ohne daß seitdem der geringste Niedergang zu erkennen ist. Zentrum, denn Eggerscheidt hat eines, ist ein etwa quadratischer Platz etwas erhöht am Hölenderweg vor dem kleinen Rathaus, das wie die angeschlossene Garage der Freiwilligen Feuerwehr ein unprätentiöser Bau unklaren Alters, wohl zwanziger Jahre, mit Walmdächern, weißem Putz und rotumrandeten Türen und Fenstern ist.

Sein Boden ist mit rechteckigen, quadratischen und L-förmigen Waschbetonplatten gepflastert, vor den Beeten, die ihn von der Straße und vom nächsten Grundstück trennen, stehen drei Bänke, deren Lehnen und Sitzflächen von dünnen Stahlrahmen gehalten werden, und in der Mitte ist ein betonumrandetes quadratisches Brunnenbecken, aus dessen Kieselfläche eine Bronzeskulptur aufragt. Sie besteht aus vielen dünnen Stangen, in denen auf drei Ebenen nicht ganz kugelförmige Sphären hängen und die untereinander durch nach unten geschwungene Querstreben und manchmal entsprechende dreieckige Flächen verbunden sind.

Auf einem dem stetig aus den oberen Sphären sprudelnden Wasser ausgesetzten Bronzeblock im Becken verewigte sich oben der Künstler: „F. Lepper 75“.

Sitzt man hier an einem Sommerabend, von der Seite die Geselligkeit des „Landgasthauses“, auf der Straße so oft oder selten Autos wie Mädchen auf Pferden, und sieht neben dem Brunnen auf der anderen Straßenseite ein langes Gebäude mit Balkonen und hohem ausgebautem Satteldach, so fühlt man sich vielleicht wie im Jahre 1975, aber eher irgendwo in der Vorstadt als auf dem Dorf. Alles könnte dort auch heute noch sein wie hier in Eggerscheidt, mit einer Ausnahme: der Brunnen wäre schon lange nicht mehr im Betrieb und die Bänke trügen die Inschriften ihrer zahlreicheren Nutzer. So findet man die Stadt der siebziger Jahre in Reinform auf dem wohlhabenden Dorf, was wieder zeigt, daß Geld alle Probleme löst (übrigens das beste Argument für den Sozialismus). Als einziger Hinweis darauf, daß auch in Eggerscheidt nicht die Zeit stehengeblieben ist, geht die ziffernlose Uhr auf dem Rathaustürmchen um mehr als drei Stunden vor.