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Madrid im KFC

In Madrid ist es ein KFC, das Fast-Food-Restaurant, von dem aus man die Stadt am besten erlebt. Von beiden seiner Geschosse hat man einen kaum zu übertreffenden Ausblick auf das Panorama des Stadtzentrums: im Vordergrund die Puente de Segovia (Segovia-Brücke), deren einfachen Renaissanceformen heute viele Fahrspuren schmücken, im Hintergrund über dem Park und höher am Hang die historistische Kathedrale, der barocke Palacio Real (Königspalast) und die Hochhäuser am Plaza de España (Spanienplatz).

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Vielleicht ist nicht ganz Madrid in diesem Blick, aber gewiß so viel, wie in einem einzigen Blick sein kann.

Und all das wird Teil des KFC, weil er sich in der Ecke des Sockelbaus eines der beiden Wohnhochhäuser, die torartig beidseits der von der Brücke weiterführenden Paseo de Extremadura (Extremadurapromenade) stehen, befindet. Man erlebt den besten Blick auf Madrid damit aus einem für die Stadt charakteristischen Gebäude.

Daß sie beidseits der Straße identisch sind, zeugt von einer für spanische Verhältnisse starken und zusammenhängenden Stadtplanung. Die Sockel enden in Betonstreifen, die Hochhäuser haben Betonformsteinwände vor den Treppenhäusern und breite Balkone, doch die rote Klinkerverkleidung und insbesondere die mit weißem Stein betonten Ecken sind ein konservatives Moment, das manche Madrider Architektur auszeichnet, wie der Blick aus dem Fenster ja zeigt.

Das Schönste in Madrid ist KFC.

Papageienarchitektur

Auf Gebäuden sitzen sie nie, die grünen Mönchsittiche der Costa del Sol, und doch sind sie die architektonischsten der Vögel.

In Marbella (Bilder zum Vergrößern anklicken)

Man sieht sie, allein oder in Gruppen, still oder laut schreiend, durch die Täler zwischen den Appartmenthotels fliegen, aber niemals auf deren Balkongeländern sitzen, obwohl sie zu ihnen so gut passen würde. Das unterscheidet diese südamerikanischen Einwanderer auch von einer anderen in Europa heimisch gewordenen, an der Costa del Sol jedoch seltenen grünen Papageienart, den aus Afrika und Indien stammenden Halsbandsittichen, denn die sind es als Höhlenbrüter gewöhnt, die Gegebenheiten ihrer Umwelt auszunutzen und haben keinerlei Berührungshemmungen mit menschliche Architektur. Während also einige Vögel, etwa Tauben, ganz in menschlichen Gebäuden wohnen und andere, etwa Amseln, ganz in Büschen und Bäumen, bauen sich die Mönchsittiche eigene Gebäude in den Bäumen. Sie schaffen sich ihre Umwelt selbst.

In drei Arten von Bäumen bauen Mönchsittiche an der Costa del Sol ihre großen, mehrere Wohnungen umfassenden Nester, obwohl die Bezeichnung Nest für ihre Konstruktionen beinahe unzureichend ist.

Erstens in den nordafrikanischen Palmen, wo man sie zum einen am besten bemerken kann, da Palmen an den meistfrequentierten Orten, etwa den Strandpromenaden gepflanzt sind, aber sie zum anderen am schlechtesten sieht, da sie zwischen den Ansätzen der Blätter versteckt sind.

Zweitens in den australischen Eukalyptusbäumen, die zwar einer der charakteristischsten Bäume der Costa del Sol sind, aber als halbwilde Nutzbäume eher an den Rändern, etwa den Bachtälern wachsen.

Die Nester sind entweder übereinander nah an den großen vertikalen Ästen angeordnet wie Wohnkapseln aus metabolistischen Phantasien der sechziger Jahre oder aber sie hängen von kleineren Ästen herab.

Letzteres ist in den einheimischen Kiefern, wo sich die Nester drittens finden, die vorherrschende Bauart.

Wenn sie so von den weitausladenden, beinahe horizontalen Ästen hängen, läßt sich die kunstvolle Konstruktionsweise der Papageienester am besten betrachten. Es sind große, annähernd kugelförmige Gebilde mit runden Eingängen an den Seiten oder auch unten, die mit den Ästen zwar verbunden sind, aber zugleich etwas ganz eigenes, wirklich eher Bauwerke als Ausnutzung natürlicher Gegebenheiten. Über Gehwegen, über Straßen hängen diese Nestbauten, waghalsige Architekturen, von denen der Mensch für sich nur träumen kann, oft gar nicht sehr hoch, aber unerreichbar für Feinde.

Die absolute Weigerung der Mönchsittiche, menschliche Gebäude auch nur zum Sitzen, geschweige denn zum Nestbau zu berücksichtigen, bedeutet im Übrigen nicht, daß sie den Vorteilen der menschlichen Zivilisation abgeneigt wären. Die Nester sind, egal in welchen Bäumen, immer in besiedelten Gegenden. Ein typischer Anblick ist eine Gruppe von Tauben auf der Straße, in deren Grau plötzlich das Grün der Papageien aufblitzt.

Oft fliegen sie dann mit einem größeren Stück auf einen Baum, um es in einem Fuß gehalten zu essen, was den Tauben ewig unmöglich ist.

Damit füllen die Mönchsittiche ein wenig die Rolle der in Südspanien fehlenden Rabenvögel, vor allem der Krähen, wobei sie anders als diese niemals in Mülleimern nach Nahrung suchen.

Was erst möglich wäre, wenn die Mönchsittiche den Wert menschlicher Konstruktionen begriffen, zeigt ein Beispiel aus Benalmádena: Kletterpflanzen von einer Mauer wuchsen einen Strommasten aus Holz empor, umhüllten ihn völlig, verdickten sich oben wie eine Baumkrone, wurden dann unten abgeschnitten. In dem toten Holz, dessen Schlingen ihrer Konstruktionsweise ohnedies ähnelt, ließen sich die Mönchsittiche nieder, bauten es zu einem ihrer Nester aus.

Näher kommen sich Menschen- und Papageienarchitektur jedenfalls an der Costa del Sol nie. Man liest, daß sie anderswo bevorzugt in größeren Elektrizitätsmasten oder sogar in den neogotischen Fialen eines Friedhofsgebäudes nisten, schon in Madrid lassen sich Beispiele finden, aber das sind offenbar andere Sittichkulturen, die sich in anderen Bedingungen entwickelten.

An der Glorieta de Cádiz in Madrid

Angesichts der baulichen Leistungen der Mönchsittiche kann man sich jedenfalls gut vorstellen, daß  in fernen weiteren Evolutionsschritten die ganze Welt einer neuen Zivilisation von Vögeln gehören wird.