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Söhnge surreal

Das von vielbefahrenen, aber engen und komplizierten Straßen zerschnittene Zentrum von Usingen im Hintertaunus hat einige erstaunlich unschöne Gebäude, ein Sammelsurium der schlechtesten Architektur der letzten siebzig Jahre. Das folgende gehört nur deshalb nicht dazu, weil an seinem niedrigen grauen Satteldach längs der Straße, seinem weiß verputztem Obergeschoß und seinem das gesamte Erdgeschoß einnehmenden Schaufenster mit grauem Rolladen zwischen sandartig braun-gelben Kacheln und grauen Kunststofflamellen nichts im Guten oder Schlechten Bemerkenswertes ist. Einzig die quadratischen weißen Leuchtfelder mit den schwarzen serifenlosen Großbuchstaben des Geschäftsnamens verweisen auf die Sechziger oder Siebziger. Doch etwas stimmt mit ihnen nicht. Was dort steht, ergibt keinen Sinn: R UHN_S ƎHN_EG Ö

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Irgendwann, wohl bei der Auflösung des Ladens, wurden die Buchstaben in falscher, beliebiger Reihenfolge und teilweise umgedreht angebracht. Sie gleichen nun Scrabble-Steinen, die erst darauf warten, zu einem Wort geformt zu werden. Ob es einem gelänge, ist fraglich. Immerhin ist offensichtlich, daß es sich um einen Uhrenladen handelte, da auf einem der Felder das Logo von Seiko, nunmehr vertikal, ist. So drängt sich das Wort Uhren auf. Die Lösung für den Namen des Besitzers gibt glücklicherweise (oder leider?) eine rechts in die Straße hängende ovale Uhr: Söhnge.

Der Laden steht seit 2015 leer, die Uhr geht nicht mehr, aber sonst ist alles makellos. Die Veränderung des Schriftzugs, das Durcheinanderwürfeln seiner Buchstaben, war vielleicht das letzte Geschenk des Besitzers an die Stadt, sie brachte etwas Surreales in diese abweisenden Straßen, einen Grund, sogar hier genauer hinzusehen.