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Šumná

Šumná hat alles, was ein südmährisches Dorf braucht. Eine lange Straße, die zugleich Landstraße ist, mit vielen typischen eingeschossigen und satteldächigen Bauernhäusern. Ein, zwei Parallel- und Querstraßen, an denen sich etwas mehr etwas größere Häuser aus der ersten Republik und der sozialistischen Zeit darunter mischen. Einen coop-Laden, ein Gemeindeamt mit Post, eine Schule und eine Kneipe. Eine turmartige Kapelle an der Straße, Erzeugnis einer Glaubensaufwallung im späten 19. Jahrhundert und heute mit kitschigen Figuren gefüllt.

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Sogar eine Kirche hat Šumná und die ist sogar ein ungewöhnlicher Bau. Schmucklos weiß, an den Breitseiten oben rechteckige vertikale Fenster, hinten ein großes rundes Fenster und vorne im Satteldach ein Turm mit höher gesetztem Satteldach, das durch eine halbrunde Öffnung brückenähnlich wirkt, und Kreuz, das aber auf einem halbrunden Bogen sitzt und wie in die Tiefe, ins Dreidimensionale gezogen wirkt.

Man könnte die Kirche für einen renovierten Bau aus der ersten Republik oder dem Protektorat halten, doch in Wirklichkeit wurde sie erst 2008 fertiggestellt, Erzeugnis wohl weniger einer Glaubensaufwallung als der Bemühungen eines Pfarrers. Über dem Eingang steht auf einer großen Steinplatte ein Bibelzitat:

„Wenn auf euch der heilige Geist kommt, werdet ihr Macht bekommen und werdet meine Zeugen in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien, ja, bis ans Ende der Welt Apg 1,8“

Das Ende der Welt ist Šumná immerhin nicht. Angrenzend an die Grünfläche der Kirche, die zwischen den beiden Querstraßen liegt, ist ein kleines Wohngebiet aus zwei dreigeschossigen Gebäuden und vier Gebäuden eines Typs, der links drei und rechts versetzt zwei Geschosse auf einem halbversenkten Kellergeschoß hat.

Es öffnet sich in lockerer V-Form von der Kirche weg, zu den Gleisen hin. Denn was Šumná von vielen anderen südmährischen Dörfern unterscheidet, ist, daß es einen Bahnanschluß hat, der es mit Znojmo oder Jihlava und dem Rest der Welt verbindet.

Das bedeutet, daß es hier einen Bahnhof gibt, einen schlichten zweigeschossigen Bau, der wie viele Bahnhöfe an dieser Strecke seinen Namen noch in blauen Buchstaben auf weißen leuchtenden Rechtecken hat.

Das bedeutet auch, daß direkt hinter dem Bahnhof, auf der anderen Seite der Straße und einer Grünanlage etwas erhöht gelegen, ein Hotel ist. Mit zwei Geschossen und Satteldächern war es zu seiner Erbauungszeit wohl das größte Gebäude im Ort. In den Fünfzigern oder Sechzigern bekam es eine Leuchtreklame in Schreibschrift, bloß das Wort Hotel, Verwechslungsgefahr gab es keine. Daneben ist die Aufschrift Restaurace (Restaurant) mit dem ähren- und zahnradumrandeten runden Logo der Konsumgenossenschaft Jednota (Einheit), die heute als coop Jednota kleine Läden in kleinen Orten wie Šumná betreibt.

Das alles ist noch genau so zu sehen, unberührt seit der Schließung des Hotels vor vermutlich bald dreißig Jahren. Vielleicht braucht ein südmährisches Dorf auch kein Hotel, doch es war schön, daß Šumná einmal mehr hatte als es brauchte.