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Uhren in Hoorn

Die steingraue und backsteinrote Fassade der Oosterkerk (Ostkirche) in Hoorn zeigt bestenfalls, daß Renaissance und Barock der niederländischen Sakralarchitektur nicht unbedingt gut taten und eine kreative Rückbesinnung auf die Gotik ihr mehr half.

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Zu monumental und trotz dem Backsteinrot zu grau, steht sie in der Straße Groote Oost (Große Ost), wo sie jedoch nicht einmal für wirkungsvolle Monumentalität Platz hat, da die Straße entgegen ihrem Namen klein und eng ist. Aber dann überrascht die Kirche mit einer Uhr, die weit oben quer vor dem Giebel hängt und in die Straße hineinragt.

Die Uhr hat einen dreieckigen grauen Tempelgiebel und einen ornamentalen grauen Rand, als wolle sie selbst ein schwebendes kleines Gebäude sein. Zu beiden Seiten zeigt ein weinrotes Zifferblatt mit goldenen Zeigern und in einem schwarzen Ring angeordneten goldenen lateinischen Ziffern, um die verteilt auf die vier Ecken die goldene Zahl 1688 steht.

Die Form der Uhr ist mithin recht lächerlich, was eben zeit- und stiltypisch ist, doch sie ist zugleich ein dezidiert funktionales Element. Die Turmuhr ist von nirgendwo gut zu sehen und bei einer flach auf der Fassade befestigten Uhr wäre es kaum besser, also kam jemand auf die Idee, eine Uhr so anzubringen, daß sie von der ganzen Straße sichtbar ist. Was auch immer die Menschen der Handelsstadt an der Zuiderzee (Südmeer), dem heutigen IJselmeer (IJselsee), im späten 17. Jahrhundert und danach von Religion im Allgemeinen oder der in der Kirche gepredigten reformierten Staatsreligion halten mochten, die Uhr war ihnen nützlich und ist es noch heute.

Das Beispiel der Uhr der Oosterkerk machte in Hoorn Schule.

Auch die Noorderkerk (Nordkirche), die sich gotischere Formen erhalten konnte, vom Barock interessanter ergänzt wurde und an der breiteren und größeren Straße Kleine Noord (Kleine Nord) etwas mehr Platz hat, besitzt eine solche vorgehängte Uhr.

Ihre Formen gleichen denen der anderen, sind aber einfacher und eine Jahreszahl fehlt. Sie hängt sogar leicht schräg vor dem Giebel, damit sie von überall in der leicht ungeraden Straße von möglichst weither sichtbar ist, was die Funktionalität dieses baulichen Elements noch hervorstreicht.

Keine Uhr hat die weiter stadteinwärts an der Straße Grote Noord (Große Nord) aus der Blockrandbebauung ragende katholische Cyriacus en Franciscuskerk (Cyriakus-und-Franziskus-Kirche).

Als historisierender Bau von 1882, der mit seinen runden Türmchen und Kuppeln und reicher Ornamentik orientalisierend-südlich wirkt, sieht sie genau so aus wie andernorts zur selben Zeit neue Synagogen und in der Tat ist ihre Geschichte eine ähnliche, denn an der Stelle der auch sogenannten Koepelkerk (Kuppelkirche) stand zuvor eine in einem Wohnhaus versteckte Schuilkerk (Schlupfkirche). Ganz wie vielerorts die Juden konnten die nordholländischen Katholiken als vorher bloß geduldete Minderheit erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prachtvolle sichtbare Kirchen bauen und in diesem Fall bedienten sie sich ganz ähnlicher Formen. Ein Gefühl für örtliche Bautraditionen fehlte, wie das für historistische Architektur typisch ist, weshalb es keine Uhr gibt.

Dafür hängt schräg gegenüber der Kirche vor dem Juwelier De Vries eine.

Es ist eine quadratische Uhr mit schwarzen Zeigern und Ziffern auf weißem Grund, auf den hier sogar der Name des Geschäfts und als Logo eine etwas übertrieben beringte stilisierte Hand aufgedruckt sind.

Uhren wie diese hängen vor tausend Uhrenläden in tausend Einkaufsstraßen und immer wirkt es heute schon etwas antiquiert, es ist so eine typische Werbestrategie eigentlich noch des 19. Jahrhunderts, die in dieser Form in den Fünfzigern und Sechzigern beliebt war. In Hoorn aber ist damit, wohl unbewußt und unbeabsichtigt, eine wertvolle lokale Tradition fortgesetzt und irgendwann wird, falls auch diese Uhr die Jahrhunderte übersteht, der Unterschied zwischen den drei Uhren nurmehr eine Nuance sein.

Es spricht für die Stadt Hoorn, daß in ihr Uhren wichtiger sind als Kirchen.