Gute Architektur ist einfach und selbstverständlich, wie man an den folgenden Beispielen aus Antwerpen sieht.
Der Stadsfeestzaal (Stadtfestsaal) an der Einkaufsstraße Meir, ein schwindelerregender historistischer Klotz, ist heute Teil eines Einkaufszentrums und über dem monumentalen Eingang wurde vielleicht eine mißliebige Statue entfernt, so daß nur noch Tauben vor dem goldenen Mosaik der Nische sitzen.
(Bilder zum Vergrößern)
Der riesige Saal ist jedoch für ein Einkaufszentrum ganz ungeeignet, zumal keine zusätzlichen Stockwerke eingezogen wurden, und so ist er reduziert auf einen Durchgangsbereich mit vielen Ständen, während die eigentliche Geschäfte davor und vor allem dahinter sind.
An der halbrunden Seite des Saals, wo unter einer Kuppel einst die Bühne war, richtete sich ein Café ein und es fand eine architektonische Lösung, indem es in Stufen angelegt wurde. In der Mitte der weißen Holzkonstruktion ist eine ovale ebenerdige Fläche für den Barbereich und zu beiden Seiten führen Treppen, die die einzelnen Terrassenstufen mit den Tischen erschließen, nach oben, wo noch einmal eine größere Fläche mit konventioneller Tischordnung ist.
Inmitten des historistischen Saals, offen zu ihm und verbunden mit ihm, entsteht so ein ganz neuer Raum. Diese Terrassenkonstruktion ist schön sowohl für die Betrachter als auch für die Cafébesucher an den Tischen, doch vor allem ist sie eine Lösung des Problems, wie man auf dem beschränkten Platz mehr Tische unterbringen kann. Sie braucht daher auch keinen Schmuck, das glatte weiße Holz der Wände, das Parkett der Böden und einige große Topfpalmen genügen, und für Farbakzente sorgen die Gäste selbst.
Ein anderes, aber ähnliches Platzproblem stellte sich einem Restaurant in der Restaurantstraße Oude Koornmarkt (Alter Getreidemarkt), wo ein Restaurant ohnedies nie groß genug sein kann, um Touristen und andere zu bewirten. Der ganz konventionelle Erdgeschoßraum wurde daher an der Ecke zur rechts folgenden Einfahrt um einen schmalen, völlig verglasten Bereich erweitert, in dem Terrassenstufen nur durch einzige Holztreppen verbunden nach hinten führen. Außen sind die Stufen im Glas durch den rostfreien Stahl ihrer Konstruktion nachgezeichnet und unter ihnen befindet sich der Raum einer kleinen Galerie.
Im Inneren ist heute (im Sommer 2021) ein indisches Restaurant und auf den Stufen stehen viele Pflanzen, so daß man wie in einem Wintergarten sitzt.
Ganz wie im Stadsfeestzaal steht die Terrassenkonstruktion im völligen Kontrast zur Umgebung, einer typischen Altstadtstraße mit Restaurants, und ist ihr doch genau eingepaßt, wieder braucht die architektonische Lösung nichts außer der Architektur.
Ein drittes, größeres und markanteres Bauwerk hat eine Terrassenstruktur wiederum anderer Art: das stadtgeschichtliche Museum aan de Stroom (Museum am Strom), das auf einer rechteckigen Insel im zentrumsnächsten Hafenbecken als kleines Hochhaus in einer nicht in Geschossen auszudrückenden Höhe errichtet wurde. Bei quadratischem Grundriß und roter Steinverkleidung zieht sich ein breites, mal horizontales, mal vertikales Band aus gewelltem Glas gleich einer eckigen Spirale um seine Seiten hinauf. Hinter dem Glas sind jeweils größere und kleinere Terrassenebenen, von denen die Räume erschlossen werden, die oberste schließlich im Freien und mit weitem Blick über die Stadt.
Anders als bei den beiden anderen Beispielen genügt nicht schon der erste Blick, um einzuschätzen, ob hier gelang, was versucht wurde, daher sei es nur nebenbei erwähnt.
Daß sich solche Bauten im Zentrum von Antwerpen gleich zweimal, zweieinhalbmal finden, könnte auf einen Genius Loci hindeuten, doch eher noch zeigt es, daß sie keineswegs originell sind, sondern die naheliegende Lösung eines Problems. Das ist gut so, genau so sollte Architektur sein, und es ist eher schade, daß man Vergleichbares nicht noch viel öfter sieht.
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