Der Friedhof, den Sopot seinen sowjetischen Befreiern baute, ist nicht ganz leicht zu finden, paßt aber gerade deshalb gut in eine Stadt, wo abseits des Strands und der zentralen Fußgängerzone nichts ganz leicht zu finden ist.
In der Stanisława Moniuszki (Stanisław-Moniuszko-Straße) weist an einem kleinen gepflasterten Bereich ein quer zum Gehsteig gesetztes Schild zu einer den Hang hinaufführenden Treppe und zum „Cmentarz źolnierzy Armii Radzieckiej poległych w walkach o wyzwolenie Sopotu w marcu 1945 roku“ (Friedhof der Soldaten der Sowjetischen Armee, die im März des Jahres 1945 in den Kämpfen um die Befreiung Sopots fielen). Sein niedriger Sockel und sein abgeschrägter linker Teil bestehen aus weißgetünchtem Beton, während die eigentliche Fläche mit einem roten Stern und der Inschrift aus grauem Stein ist.
Über die Treppe gelangt man auf einen Weg aus Betonplatten, der geradewegs in den Wald führt. Bald läßt man die Gartenseiten der links stehenden großen Villen hinter sich und ist nur noch vom Wald umgeben, diesem typischen Laubwald mit lichtem Unterholz der Hügel der Trójmiasto.
Es geht sanft aufwärts und eine ganze Weile ist da wirklich nichts als Wald und Weg. Schließlich erreicht man den Friedhof, erahnt zuerst hinter Bäumen, wie er sich noch etwas höher entlang des Wegs erstreckt. Die Kopfseite der kleinen Anlage bilden Stufenbeete mit hohen Nadelbäumen, in denen beim Eingang eine einleitende Tafel über die 646 Gefallenen und nach einer Treppe ein zentrales Denkmal mit ihren Namen sind.
Nachdem schon die gesamte Konstruktion aus dunklen Steinblöcken besteht, scheint der Stein des Denkmals zu seiner Naturform zurückfinden zu wollen: aus einigen kleineren zusammengefügten Steinen ragt ein großer Findling, eine Art unförmiger Obelisk, auf.
Diese konservative, gut ins 19. Jahrhundert passende Form deutet sofort darauf hin, daß es sich um ein umfunktioniertes älteres Denkmal handelt. Tatsächlich wurde es ursprünglich 1909 in der preußischen Zeit zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg errichtet und später als Weltkriegsdenkmal genutzt. Die heutigen Inschriften sind russisch und polnisch, wobei beim Denkmal die polnische grammatikalisch falsch ist.
Es ist ein Glück für den Friedhof, daß das Denkmal zwar sein höchster Punkt ist, aber ihn nicht bestimmt. Hier im Wald wirkt es eher wie ein wirklicher Fels, den schon die Bäume davor fast verstecken. Viel wichtiger ist der eigentliche Friedhof. Er erstreckt sich entlang eines Wegs, der in einer Linie mit dem Denkmal und der Treppe verläuft. Auf dem leicht abschüssigen Gelände zweigen auf beiden Seiten je vier Beete und schmalere Wege von ihm ab, wobei sie zum Wald hin kürzer und zum Weg hin länger sind.
Diese niedrigen stufengleichen Hochbeete sind in Beton gefaßt und in ihnen sind die Gräber der gefallenen sowjetischen Soldaten.
Doch die fast flach auf grauen Sockeln befestigten glatten schwarzen Steinplatten mit den Namen muß man in der üppigen Bepflanzung geradezu suchen. Es sind allesamt keine wirklich exotischen Pflanzen, sondern solche, die man vielerorts gesehen hat, ohne sie benennen zu können.
Farne, Sträucher, Immergrünes, Blumen in vielen Farben, große fleischige Blätter, kleinere mit weißer Zeichnung, niedrige Nadelpflanzen voller Moos oder einfach Löwenzahn in einer unerwarteten Größe.
Was die Beete von Sopots sowjetischem Friedhof jedoch außergewöhnlich macht, ist die schiere Fülle und Vielfalt an für sich genommen ganz typischen Pflanzen. Auch in einem botanischen Garten oder einem Biotop wären Beete wie diese nicht fehl am Platz und tatsächlich ist der Friedhof beides ein wenig.
Er ist gerade noch am Rande einer Verwahrlosung, durch die er ganz zum Biotop würde. Moos wächst über die Beetränder, Gras auf Wegen, aber noch begrenzt der Beton der Beete ein bloßes Wuchern und man spürt noch eine ordnend und pflegend eingreifende menschliche Hand.
So ist es ein wunderschöner Garten im Wald, in dem die Befreier ruhen. Das paßt wiederum zu Sopot, dem großbürgerlichen Badeort voller Villen mit großen Gärten. Ob das schon ursprünglich so geplant war, ist fast egal, denn eine schönere Ruhestätte für Helden kann es kaum geben. Es ist ein später und leider nutzloser Sieg, daß der schönste Garten in Sopot nicht privat und bürgerlich, sondern öffentlich und sowjetisch ist.