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Eine Scheune in Mecklenburg

Die auf einem Feld vor Hartenland stehende Scheune ist erst einmal ein gewöhnliches Zeugnis einer früheren Epoche der Landwirtschaft: Wände aus angedunkelten horizontalen Brettern, große Tore in der Mitte beider Breitseiten, eingestürztes Satteldach. Aber während der größte Teil des Dachs auf seine schrägen Balken reduziert ist, sind kleinere intakte Flächen mit Reet gedeckt.

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Das erstaunt, denn die Scheune wirkt nicht alt genug für eine solche Dachkonstruktion, die sofort aufgegeben worden war, als Dachziegeln allgemein verfügbar wurden, also mit der fortschreitenden Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Scheune zeigt so die erschreckende Rückständigkeit Mecklenburgs in dieser Zeit.

In ihrem Inneren jedoch denkt man nicht über so etwas nach, sondern spürt, wie sie auch als Ruine noch ihren Zweck erfüllt, da der Wind draußen auf dem Feld bleibt und man geschützt ist.

Sogar das größtenteils fehlende Dach wirkt nicht wie ein Mangel, da es in der Mitte des Raums in der einen Hälfte Farnen und in der anderen Hagebuttensträuchern von erstaunlicher Größe, die sich an den Dachbalken festhalten, zu wachsen erlaubt.

So stabil und sicher scheinen die Außenwände der Scheune, daß man sich die Vegetation zwischen ihnen wider alles Wissen als bewußt wie in Beeten eines Innenhofs gepflanzt vorstellen will. Das wird umso leichter dadurch, daß die Bäume, Birken vor allem, noch nicht ins Innere eingedrungen sind und draußen auf ihre Zeit warten.

Das Rätsel des Reetdachs hilft eine ähnliche Scheune in Hartenland etwas lüften, da auch sie teilweise ein solches hat. Der größere Teil aber besteht hier aus gewellten Asbestplatten, wie sie auch die backsteinernen Scheunen des alten Landguts Hartenland bekommen hatten, als es schon lange LPG geworden war.

Die Scheune im Feld vor Hartenland ist damit ein weniger ungewöhnlicheres Zeugnis landwirtschaftlicher Geschichte, als es auf den zweiten Blick scheinen mußte. Die eigentümlich friedliche Schönheit ihres Inneren ist einer jener Zufälle, die der Verfall manchmal mit sich bringt.