Ein faschistischer Platz in Padua

Wenn man in Padua vom Bahnhof kommend fast das Herz der Altstadt erreicht hat, öffnet sich nach rechts die Via Emanuele Filiberto di Savoia. Es ist eine wenig auffällige Straße und daß sie erst in den frühen Zwanzigern angelegt wurde, merkt man kaum. Mit ihren reduziert historistischen Formen und den Arkaden im Erdgeschoß hätte sie ebensogut zwanzig Jahre früher entstanden sein können. Das einzig Überraschende an dieser Architektur ist, wie langweilig und konservativ sie ist.

Der Platz, der sich dann an dieser Straße öffnet, entstand in den Dreißigern und ist eindeutig Produkt des italienischen Faschismus.

PiazzaInsurrezionePadova

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Zu drei Seiten stehen Bürohäuser, deren ursprüngliche Funktionen allein schon ein Bild der faschistischen Gesellschaft ergeben: An der Ostseite der Sitz des Consiglio Provinciale dell’Economia (eine Art Handelskammer), der Borsa (Börse) und der Versicherungsgesellschaft Istituto Nazionale delle Assicurazioni (INA),

an der Nordseite der Sitz der Großbrauerei Itala Pilsen

ItalaPilsenPadova

und an der Westseite der Sitz der Sozialversicherung Istituto Nazionale Fascista della Providenzia Sociale (INFPS).

Allen Gebäuden gemein sind die wuchtigen Dimensionen und die ins gänzlich unmenschliche gewachsenen Arkaden. Die historistische Ornamentik der Steinfassaden unterscheidet sich jeweils in Details, wobei sie beim Gebäude des INFPS zugunsten von kahler Monumentalität fast völlig in den Hintergrund tritt. Die drohende Wirkung wird hier durch Adler und Mütter mit Kind beim Eingang noch verstärkt. Hier handelt es sich um faschistische Architektur in ihrer Reinform. Damit das auch niemand übersehen kann, findet sich in den Arkaden ein Mosaik, das weiße Pferde, halbnackte Männer mit römischen Schildern, Schwert, Gewehr und Fasces (Rutenbündel mit Axt) und über ihnen eine römische Standarte, eine Totenkopfflagge und eine Göttin zeigt.

FaschistischesMosaikPadova

Das soll wohl eine Allegorie der römischen Tradition des Faschismus sein, aber in ihrer homoerotischen Comicästhetik ist sie heute kaum noch ernstzunehmen und wäre es wohl auch nicht, wenn das Mussolini-Zitat darunter noch lesbar wäre.

Die faschistische Architektur des Platzes selbst ist in keiner Weise originell oder neuartig. Sie steht fest in der Tradition der monumentalen Repräsentationsarchitektur des 19. Jahrhunderts, deren schlimmste und menschenfeindlichste Aspekte sie aufgreift, teils von Ornamentik reinigt und ins Extreme verstärkt. Von Leipzig 1913 nach Padua 1933 führt architektonisch eine direkte Linie.

Das vierte markante Gebäude des Platzes, das mit einigen älteren an der Südseite steht, entstand nicht in der Zeit des Faschismus, sondern nach 1948. Betrachtet man jedoch nur die unteren drei Geschosse, merkt man das gar nicht:

GrattacieloPadovaSockel

die hohen Arkaden der übrigen drei Gebäude sind in den Bögen der hellen Steinfassade aufgegriffen und den Abschluß bildet ein ebenfalls steinerner Balkon. Erst auf diesem monumentalen Sockel erhebt sich für weitere 13 Geschosse ein völlig anderes Gebäude:

GrattacieloPadova

ein Wohnhochhaus auf quadratischem Grundriß mit roter Kachelverkleidung und mittig vorgesetzten schwarzen Gitterbalkonen. Alle Ornamentik, aber auch alle Monumentalität fehlen hier völlig. Es ist ein schlichter und sachlicher Bau, der nur seine Funktion erfüllen will und nur durch seine Höhe wirkt. Wenn man in der Altstadt aus dem Palazzo della Ragione, einem großen Renaissancebau mit Marktpassagen und Versammlungssaal, tritt und jenseits der Piazza della Frutta (Obstplatz) dieses Hochhaus erblickt, scheint es tatsächlich wie ein Symbol von etwas ganz Neuem.

GrattacieloPiazzaDellaFruttaPadova

Erst auf dem faschistischen Platz sieht man, daß es ein Zwitter ist. Mit seinem Sockel ist es der Monumentalität der übrigen Gebäude verbunden, während seine Obergeschosse von Funktionalität geprägt sind.

PiazzaInsurrezionePadovaGrattacielo

Es stellt damit ganz entschieden keinen Bruch mit der Architektur des italienischen Faschismus dar, ja, es hätte genau so, mit seinen monumentalen wie auch seinen funktionalen Elementen, auch zehn Jahre früher entstehen können. So kann es die Unmenschlichkeit des Platzes auch kaum ausgleichen.

Der Platz übrigens hieß ursprünglich Piazza Spalato (Spliter Platz), wodurch sich der Anspruch des italienischen Imperialismus auf Dalmatien ausdrückte. Nach Kriegsende wurde er umbenannt in Piazza dell’Insurrezione 28 Aprile. Wenn schon die spätere Architektur nicht zu einem klaren antifaschistischen Akt fähig war, so war zumindest diese Benennung einer: Der Name erinnert an den Aufstand Ende April 1945, in dem die Partisanen die Stadt kurz vor dem Eintreffen der britischen Armee von den Deutschen und der faschistischen Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozialrepublik) befreiten.