Das Antlitz einer Kirche

Für ihren Gewinn des Hessischen Denkmalschutzpreises im Jahre 2000 hatte Klein-Karbens Kirche die allerbesten Voraussetzungen.

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Sie steht in der Mitte des alten Kerns des Wetteraudorfs höher am Hang und ist über eine längere Betontreppe, die noch an einem Fachwerkturm und alten Mauern vorbeiführt, zu erreichen.

Jenseits der oben verlaufenden Straße, zu der der Turm mit einem großen Tor zeigt, steht sie noch einmal etwas höher. Eine kurze Treppe führt auf ihren Eingang zu, während in der rechten Ecke des Grundstücks eine mächtige Eiche ihre Äste bis weit über die Mauer hängen läßt.

Selbst ist die Kirche mit +-förmigem Grundriß und hohem spitzen Turm in der Dachmitte durchaus nicht groß und paßt damit zum Ortsnamen. MIt schwarzem Schieferdach und -turm, weißem Putz und roten Ecksteinen und Fensterrahmen gleicht sie auch den typischen Dorfkichen der Region. Doch sie hatte das Glück, viel mehr als größere und neuere Kirchen von ihrer gotischen Form zu behalten.

So gibt es noch immer viele spitzbögige Fenster, von denen nur einige, besonders vorne, im Barock durch größere mit flachen Rundbögen ersetzt wurden. Teilweise finden sich beide Fensterarten sogar direkt nebeneinander.

Vielleicht im Zuge der ausgezeichneten Renovierung wurden in der rechten vorderen Ecke lange zugemauerte breite Spitzbögen wieder sichtbar gemacht, die einen ganz anderen, offeneren Kirchenbau erahnen lassen.

Bei einem Eingang in der linken hinteren Ecke wurde die Tür tiefer angebracht, damit die drei ineinandergesetzten Spitzbögen, simple dörfliche Version der Portale großer Stadtkirchen, besser zur Geltung kommen.

Daß die Beete um die Kirche neu angelegt und neue Bänke aufgestellt wurden, versteht sich von selbst, doch entschieden ergänzt wurde weniger das Gebäude als die Gesamtanlage durch eine einfache viertelkreisförmige Freilichtbühne aus Holz in der rechten hinteren Ecke und ebenso einfach amphitheaterartig angeordnete rote Sandsteinbänke in der leicht ansteigenden Wiese schräg gegenüber.

Das, und die geringe Zahl von Kirchgängern, erlaubten es sogar, zu Ostern 2020 einen coronagerechten Außengottesdienst abzuhalten.

Schließlich hat die Kirche noch ein Schmuckstück, um sie vollends von den umliegenden Dorfkirchen abzuheben: die rotsandsteinerne Skulptur eines Hunde- oder Schweinegesichts, die auf halber Höhe neben der hinteren Ecke des rechten Quertrakts hervorragt.

Nunmehr offensichtlich aufwendig restauriert und mit vergoldeter Schnauze versehen, ist sie etwas, das sich erst einmal kaum einordnen läßt.

Ein nichtreligiöses und geradezu derbes, lustiges Kunstwerk an einem Sakralbau. Wiederum fallen bloß die Wasserspeierfratzen städtischer Kirchen als Vergleich ein. Sind die aber durch die Höhe und Vervielfachung fast unsichtbar, so zieht das Klein-Karbener Gesicht unweigerlich alle Blicke auf sich, da es allein und nicht zu hoch hängt. Es ist, als habe sich der Stein in ihm gewehrt, bloß Teil der Ecke eines Kirchenbaus zu sein und den Steinmetz angeregt, sich einfach seiner Phantasie hinzugeben. Heute ist es das, was eine ohnedies besondere Kirche vollendet. Preise braucht sie gar keine mehr.

3 Gedanken zu „Das Antlitz einer Kirche

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