Los Manantiales

Es ist vermutlich keiner der drei achtzehngeschossigen Wohntürme von Los Manantiales, nach dem Torremolinos heißt, da sie erst ab 1969 eröffnet wurden, aber ihr Name, Die Quellen, würde gut zum Stadtnamen, Turmmühlen, passen.

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Aus demselben Grund sind sie heute kein Wahrzeichen, mit dem Torremolinos sich gerne schmückt. Aber sie sind schwer zu übersehen, schon am Ende der zentralen Einkaufsstraße Calle San Miguel steht einer von ihnen.

Mehr als andere Wohnhochhäuser wirken Los Manantiales eindeutig wie Türme, da sie rund sind.

Rund ist nicht nur ihr Grundriß, rund sind auch die doppelten Betonröhren, die die Wohnungen separieren und in denen die Küchen und die Duschwannen sind, rund ist die Wendeltreppe aus Beton an der Nordseite, rund sind die dreifachen, im Kontrast mit vertikalen Backsteinkacheln verkleideten vertikalen Röhren der Aufzüge, die über dem Dach noch in drei Stufen breiter werden, so daß sie fast wie riesenhafte Säulen auf halbem Weg zwischen Meer und Bergen wirken,

rund sind die dünneren Betonstützen, dank denen die Wohnungen erst zwei Geschosse über dem Erdboden beginnen und die eine offene Gestaltung der Fassade erlauben.

Obwohl auch die äußeren Ränder der Geschoßflächen und der über den Röhren überstehenden Betonplatten mit seitlichen Wänden, die die Dächer bilden, leicht abgerundet sind, wirken die Wohnungen – unweigerlich drängt sich das Wort Wohneinheiten auf – eher eckig, da sie jeweils in zwei kurzen zackigen Balkonstufen mit Betonbrüstungen zu einem breiteren freischwebenden Balkon vorspringen, der selbst wie eine Betonplattform mit niedrigen seitlichen Betonwänden und horizontalen weißen Gittergeländern ist.

Im Inneren münden die Aufzüge und die Außentreppe auf jedem Geschoß in einen runden Erschließungsbereich mit backsteinverkleideten Wänden, von dem die Wohnungen wie Tortenstücke abzweigen.

Hinter den Wohnungstüren bilden die beiden Zacken der Balkone einen Laubengang, zu dem sich die beiden Schlafzimmer öffnen und auf denen zugleich ein Sitzbereich angedacht ist, was auf eine spanische Auffassung von Privatheit hindeutet. Der eigentliche Eingang ist erst im verglasten Wohnzimmer hinter dem freischwebenden Balkon und ein innenliegender Gang erschließt alle Räume, von der offenen runden Küche mit Bar über das Bad mit großer runder Wanne bis zu den beiden Schlafzimmern. Pro Geschoß sind drei solcher Wohnungen von den doppelten Röhren getrennt und zwei bilden eine von einer gemeinsamen Mitte nach außen geöffnete V-Form.

Los Manantiales sind eine entschlossen brutalistische Architektur, Röhren aus Beton, in die Wohneinheiten aufgehängt sind, und anders als manches andere in Spanien gehörten sie zur Zeit ihrer Entstehung zum Radikalsten, was es auf der Welt gab.

Mehr noch, die riesenhaften Backsteinsäulen, in denen die Kathedrale von Málaga anklingt, weisen schon auf die postmodernen Irrwege der achtziger Jahre voraus. Nur angemessen, daß sich der Architekt, sogar „Dr. Arquitecto“,  Luis Alfonso Pagán, der damals gerade dreißig Jahre alt war, mit dem Gebäudenamen und der Jahreszahl 1969 in die Röhre neben dem Eingang des ersten Turms in vertieften Buchstaben einschreiben ließ.

Der zweigeschossige Sockelbau ist so spanisch, wie die Formen der Türme international sind: eingefügt ins Straßenraster, aber nicht in das der alten Stadt, die Torremolinos kaum auch nur je war, sondern in ein durch die chaotische Grundstückspekulation erst neu entstandenes.

Entlang der Avenida de los Manantiales (Quellenallee) sind Läden mit schräg gesetzten Wänden im Erdgeschoß, Backsteinwände um die geschoßhohen Fenster der modulartigen Räume des überstehenden Obergeschosses, in denen ein Hotel war, erst darüber wieder ein Betonplattformen mit breitem Rand.

An der einen Ecke sind oben eckige Rücksprünge, während an der anderen, zum älteren Teil der Stadt zeigenden wieder überall runde Formen sind: die um einen roten Pfeiler nach oben gewundene offene Betonwendeltreppe unter dem abgerundeten freischwebenden Abschluß mit den Fensterbändern, der weitere Saal im dritten Geschoß mit roter Betonkuppel, die rote Betonröhre mit der halbkugelförmigen Lampe, die vor der Treppe nach unten hängt.

Hier bekommt der Brutalismus Farbe und beinahe comicartige Formen, wie sie zur selben Zeit auch etwa Westberlin zur Gestaltung seiner U-Bahn nutzte. Abgerundet ist auch der anschließende zurückgesetzte Teil neben dieser Ecke, in dem der Eingang des Hotels war. Auf dem Dach des Sockelbaus war eine regelrechte Landschaft mit zwei unterschiedlich großen ineinandergesetzten, selbstverständlich runden, Pools und verschiedenen runden Betonplattenformen zum Sonnenbaden. Im Inneren sind Passagen und runde Höfe verschiedener Größe, die ganz denen älterer spanischer Gebäude gleichen und mit Blumentöpfen vor Läden und Restaurants zu den Hochbeeten im Laufe der Jahre auch deren halböffentlichen südlichen Reiz bekamen.

Auf der anderen Seite, wo Platz für die neue Stadt gewesen wäre, zerfällt alles: nur enge Wege neben einem umzäunten Parkplatz und der Ruine des nie fertiggestellten Museums, einem neohistoristischen Klotz mit billiger grauer Steinverkleidung.

Vielleicht waren Los Manantiales immer, wie jeder Brutalismus, so sehr Spielerei mit Betonformen wie funktionale Problemlösung, aber sie waren zumindest etwas und sogar, falls das zu wenig war, wurde die Stadt ihnen nicht gerecht. Denn das kapitalistische Spanien, ob nun als franquistische Diktatur oder als bürgerliche Demokratie, konnte oft beeindruckende, wertvolle Einzelgebäude schaffen, aber für die neue Stadt war in ihm nie Platz.

Nur wenige Gebäude hatten ähnlich stark den Anspruch, Quellen eines neuen Torremolinos zu sein wie Los Manantiales. Aber was sind Quellen ohne Mühlen, was ist Architektur ohne Stadtplanung?