Gdańsker Reste: Zaspa

An der großen Aleja Rzeczypospolitej bei der Straßenbahnhaltestelle Żwirki i Wigury, dort, wo die gleichnamige Seitenstraße in ein Wohngebietszentrum führt, ließen die großzügigen Hofanlagen des Wohngebiets Zaspa in Gdańsk viel Platz und so konnte sich dort, vielleicht gar nicht lange nach dessen Erbauung, eine Autowerkstatt einnisten. Sie ist ein typisches Beispiel für das private Kleingewerbe, das im vordergründig sozialistischen Polen spätestens ab Mitte der Siebziger erlaubt war und sich ausbreitete. Auch die architektonische Form der kleinen Halle, weißer Backstein, Flachdach, allerlei Schilder in Stahlgestellen, ist typisch, Eigenbauarchitektur, kommerzielle Entsprechung der bereits vorher entstehenden Einfamilienhäuser, mit denen sie im übrigen häufig Mischformen bildet.

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Doch zur großen Straße hin ist der Werkstatthof abgegrenzt durch eine Architektur anderer Art. Nur ein außenliegendes Gerüst aus Stahlstangen in den Ecken des quadratischen Grundrisses, die oben mit horizontalen Streben verbunden sind, bevor sie schräg zur Mitte laufen, wo sie sich treffen, Wände aus halbdurchsichtigen gewellten Kunststoffplatten und im von den Stangen gebildeten Zeltdach tatsächliche Zeltplanen, die aber nicht etwa deren Zwischenräume ausfüllen, sondern geschwungen dazwischen hängen. Zwei solcher Zeltbauten stehen aneinandergefügt an der Straße und werden zu einer zweiten Halle.

Während die steinerne Halle aber eine improvisierte, gänzlich individuelle Architektur, an der vielleicht nicht einmal ein Architekt beteiligt war, ist, handelt es sich bei diesen Zelten offensichtlich um standardisierte Wiederverwendungsobjekte, die ganz im Gegenteil des Ergebnis architektonischer Forschungsarbeit sind. Mit ihnen stellte der sozialistische Staat den Kleinunternehmern modulare und flexible Gebäude zur Verfügung.

Daß sie auch vierzig Jahre später noch stehen, war gewiß nicht geplant, aber das gilt ja für viele Entwicklungen dieser Zeit. Auch heute noch, da eine der gewellten Wände schräg steht und ihr Zustand allgemein schlecht ist, sind sie noch das Schönste an dieser Autowerkstatt. Das verdankt sich vor allem dem Bemühen der Gestalter, auch diese funktionale Zeltkonstruktion schön zu machen, weshalb die Kunststoffplanen des Dachs zwei Farben haben: Gelb und Blau auf den sich gegenüberliegenden Seiten.

Die Dächer sind somit ein kraftvoller Farbakzent, den seitdem das Grün der an der Straße aufgereihten Pappeln und die neue Wärmedämmung der Wohngebäude ergänzt, wenn nicht übertrifft. Es ist diese Farbwahl, die nicht notwendig ist, aber die Funktionalität nicht beeinträchtigt, durch die diese Gebäude zu wertvollen Kleinodien werden. Als Teil der Autowerkstatt in Zaspa sind sie Zeugnisse der jüngeren polnischen Geschichte, derer es immer weniger, fast nur noch Reste, gibt.