Was am Höchstädtplatz von der KPÖ blieb

Der Höchstädtplatz im 20. Bezirk hat, wie so viele Plätze in kapitalistischen Städten, diese Bezeichnung kaum verdient. Eigentlich ist er wenig mehr als eine Kreuzung zweier größerer Straßen. Das Wenige mehr verdankt er einzig einem achtgeschossigen Bürogebäude, vor dem, weil eine der Straßen schräg verläuft, eine dreieckige Platzfläche entsteht.

KPÖGebäudeHöchstädtplatz

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In diesem Gebäude nun saßen der kommunistische Globus-Verlag und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Es ist kein besonderes oder fortschrittliches Gebäude, sondern eben eines, das für die Fünfziger sehr typisch ist und in dem ebensogut eine Firmenzentrale oder ein Amt sein könnten. Aber durch seine Größe und den Platz prägende Stellung ist es Ausdruck des Selbstbewußtseins und der Bedeutung der KPÖ zu dieser Zeit. Die breit ruhende Fassade ist bestimmt von einem Raster horizontaler und vertikaler Streben, das durch Putzflächen vom leicht überstehenden Flachdach und von den Ecken und durch das Erdgeschoß vom Boden abgesetzt ist. In den rechteckigen Zwischenräumen des Rasters sind normale Fenster, die bloß in der Mitte, über dem dezenten Eingang, geschoßhoch werden. Rückwärtig schließt links eine Halle mit Sheddach und rechts ein viergeschossiger Seitentrakt mit stärker in horizontale und vertikale Bereiche gegliederter Fassade an.

KPÖGebäudeHöchstädtplatzTreppe

Verbindungsglied zum Seitentrakt ist ein sechsgeschossiges Treppenhaus, das fast völlig verglast ist, aber nach vorne eine schräg endende Wand mit nur kleinen Öffnungen in Rechteck-, Dreieck- und Kreisformen hat. Diese Wand ist das kleine skulpturale und verspielte Element, das sich das Gebäude leistet.

Direkt davor wurde ein Teil einer Fachhochschule Wien gebaut.

KPÖGebäudeHöchstädtplatzFachhochschule

Von deren Gelände auf der anderen Seite der Marchfeldstraße spannt es sich als Brückentrakt zum Höchstädtplatz. Architektonisch ist das nicht das schlechteste, was in jüngerer Zeit gebaut wurde, aber dafür, daß es gerade dort gebaut wurde, sind nur zwei Gründe denkbar: eine bewußte antikommunistische Entscheidung, den Blick auf das KPÖ-Gebäude zu verstellen, oder stadtplanerische Dummheit. Der erste Fall würde immerhin zeigen, daß sich jemand irgendetwas dabei gedacht hat. Doch wie jeder heutige Antikommunismus würde sich auch diese antikommunistische Architektur nicht gegen eine reale kommunistische Bewegung, sondern gegen die Erinnerung an eine solche richten. Denn die Partei hat dieses Gebäude schon vor mehr als zwanzig Jahren verkaufen müssen und nichts an ihm erinnert mehr an Kommunistisches. Teils sind dort „Büros zu mieten“, teils wird es vom TÜV und anderem genutzt, und in den rückwärtigen Hallen, wo einst die KPÖ-Tageszeitung „Volksstimme“ gedruckt wurde, ist nunmehr ein Baumarkt.

KPÖGebäudeHöchstädtplatzBaumarkt

Ob nun dem Antikommunismus oder der Dummheit geschuldet, der Gebäudeteil, mit dem der Brückentrakt der Fachhochschule endet, steht genau so an der Straßenecke, daß an beiden Seiten weitere Gebäude als Blockrandbebauung anschließen und das KPÖ-Gebäude in den Hinterhof verbannen könnten. Das wäre dann auch das Ende des armen kleinen Höchstädtplatzes. Doch für den Moment wird er wohl in seiner beeinträchtigten Form bestehen bleiben. Dabei könnte helfen, daß zu den Architekten des KPÖ-Gebäudes auch Margarete Schütte-Lihotzky gehörte. Sie – erste Frau in Österreich, die ein Architekturstudium absolvierte, in den Zwanzigern bei Ernst May am Bau des Neuen Frankfurt beteiligt, dem sie die Frankfurter Küche erfand, in den Dreißigern in der Sowjetunion – ist noch heute recht bekannt, allerdings nicht wegen ihrer vorbildlichen kommunistischen Biographie, sondern wegen ihres Geschlechts.

Als letzte Erinnerung an die kommunistische Vergangenheit des Höchstädtplatzes bleiben zwei Denkmäler, die etwas verloren zwischen Fachhochschule und KPÖ-Gebäude stehen.

DenkmalJohannKoplenigHöchstädtplatz

Das eine ist Johann Koplenig, „Vorsitzender der KPÖ“, „Mitbegründer der II. Republik Österreich“ und „Vizekanzler der 1. Regierung des befreiten Österreich“, gewidmet. Es ist eine schlichte quadratische Stele, die sich im oberen Teil zu einem Würfel aus glattem dunklen Stein mit den Inschriften verbreitert und noch darüber ein bronzenes Porträtrelief von Koplenig trägt.

MarsyasIIHöchstädtplatz

Das zweite ist eine leicht geschwungene Wand aus Backstein, die da steht wie der Rest eines zerstörten Gebäudes. In der Mitte, wo sie aus Naturstein ist, ist ein menschlicher Leib aus Bronze, ohne Arme, geschunden, bizarr gekrümmt. Er hängt an den Füßen von einem stilisierten Stahlträger herab, wodurch sich eine angedeutete Kreuzform ergibt. Das ist die Plastik „Marsyas II“ von Alfred Hrdlicka. Daneben hängt rechts eine Tafel mit der Aufschrift: „Den Opfern und Kämpfern gegen faschistische Gewaltherrschaft, Rassenhass und Krieg – Gewidmet von der KPÖ“. Man kann in diesem Denkmal eine Nähe zu manchen Gedenkstätten in sozialistischen Ländern sehen, etwa dem halbzerstört erhaltenen Tor des Gefängnisses Pawlak in Warschau oder der überlebensgroßen Gestalt eines Widerstandskämpfers vor einer Backsteinwand in Brandenburg. Zudem erinnert es an eine Zeit, wo sogar in einem kapitalistischen Staat ein Künstler wie Hrdlicka ganz selbstverständlich der Partei verbunden war. Heute, losgelöst vom KPÖ-Gebäude als ihrem Kontext, wirken beide Denkmäler so fremdartig wie sie es als Relikte einer anderen Zeit eben sind.

Der heutige Sitz des Bundesvorstands der KPÖ ist übrigens ein zweigeschossiger Altbau im 14. Bezirk. Er ist wie das traurige Sinnbild einer Partei, die weder Künstler, noch Architekten, noch Geld, noch Bedeutung mehr hat.

KPÖDrechslergasse