Erkundungen auf Friedhöfen: Campos de Paz

Wenn man nur den Friedhof Campos de Paz (Felder des Friedens) kennt, könnte man meinen, daß Medellíner Friedhöfe kaum anders seien als etwa in Polen. Er ist eine parkartige Anlage auf einem Hügel im Südwesten der Stadt unmeit des Flughafens und die meisten Gräber haben große glatte Steinplatten mit Inschriften, die bloß etwas freier und ohne Wege auf der Wiese vertellt sind.

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Schon der grundsätzlich ähnliche Friedhof Jardines Montesacro (etwa: Heiligberg-Gärten) in Itagüí, der eine der zweifelhafteren Touristenattraktionen der Region enthält, unterscheidet sich deutlich, da die Gräber auf einheitliche kleine Steine in der Wiese, aus denen keines durch auffälligere Gestaltung herausstechen kann, reduziert sind. Kleinere Friedhöfe wie der ältere von Itagüí haben hohe Konstruktionen mit gestapelten Grabfächern, wie sie in Spanien und anderswo in Südamerika typisch und im Übrigen auch an den Rändern der genannten Parkfriedhöfe zu finden sind, aber oft in historistischen neoklassizistischen Formen, die offenbar als der Trauer angemessen empfunden werden.

Eine herausgehobene Position bekommen die Campos de Paz weiterhin durch ihre Kunst und Architektur. Unübersehber hinter der Einfahrt steht eine große schwarze Metallplastik, die vor einem von schrägen seitlichen Stützen gehaltenen Ring eine mit vorgewölbtem dünnem Körper, leicht nach hinten ausgebreiteten Armen, noch unter und hinter dem Ring befindlichen Füßen und nach hinten wehendem Haar wie hervorschwebende überlebensgroße männliche Figur zeigt.

Das Werk des Bildhauers Jorge Marín Vieco heißt „Resurección“ (Wiederauferstehung) und stammt von 1972, wie es mit weiteren Angaben an der linken Stütze steht, und der religiöse Bezug ist naheliegend, aber bleibt sympathischerweise dezent, weshalb es kaum überrascht, daß ein anderer Name „Hombre en busca de la paz“ (Mensch auf der Suche nach dem Frieden) lautet.

So ist die stilisierte Darstellung der Plastik auf den standardisierten kleinen Grabplaketten, zu denen dann oft die größeren Grabsteinplatten kommen, auch immerhin neutraler als es ein Kreuz wäre.

Im Gegensatz zu dieser Plastik ist die Kirche vom Eingang nicht zu sehen und auch von einigen Stellen auf dem Hügel nur durch teils einheimische, teils geradezu europäisch anmutende Bäume hindurch. Sie ist ein letztlich einfacher Bau, der kompliziert wirkt, ein funktionaler Bau, der skulptural wirkt. In der Mitte ihrer Konstruktion ist ein hohes Dreieck, das von einem schräg ansteigenden und einem vertikalen Teil jeweils aus parallelen Betonwänden und leicht getönten Glasflächen gebildet wird. An der Schräge dieses Rahmens sind flache Querstreben aus Beton befestigt, die neben der Vertikale noch vertikal sind, aber in dem Maße, wie die Schräge niedriger wird, stärker nach außen abgeschrägt sind, so unterhalb der Mitte die breitesten Stellen des Kirchenraums bilden und erst zu ihrem Ende, wo der Eingang ist, wieder vertikaler werden.

Von der zum Hügel zeigenden Seite mit der Vertikale, die man trotzdem nicht einfach eine Rückseite nennen sollte, ist es, als fächerte sich die Kirche mit ihren Betonlamellen, zwischen denen wiederum Glas ist, zu beiden Suiten auf und man sieht den lichtdurchfluteten Innenraum, der außer Parketböden, Bänken, einem Pult gar nicht mehr braucht.

Auf der Seite mit der Schräge wo ein leicht erhöhter leerer Platz über der Krypta ist, hat die Kirche weit mehr, nun, Platz und wirkt gestufter, mehr wie eine Pyramide, was auch an den Stufen zum Platz liegen mag.

Aber, genau wie die Plastik nicht ganz ein Christus ist, ist die Kirche nicht ganz eine Kirche, kein Kreuz ist auf ihrer dreieckigen Spitze, sondern bei Bedarf auch ein säkularer Trauersaal. Das ist denn ein sympathischer Unterschied etwa zu Polen, wo der sich bedrohter wissende Katholizismus aggressiver auftrat. Ist die Plastik das zwangsläufige Symbol des Medellíner Friedhofs Campos de Paz, so ist die Nicht-ganz-Kirche sein Kleinod, das expressive Architektur aus Glas und Betonstreben zur größten Einfachheit treibt.