In der Avenida Jorge Newbery (Jorge-Newbery-Allee) im Westen von Buenos Aires steht ein Gebäude, das sich auf zweifache Art versteckt.
Zum einen hat die große Halle mit Tonnendach aus Blech und durchsichtigem Kunststoff, die – es ist eine Garage für Busse einer Linie und Betreiberfirma – sein Herzstück ist, zur Straße hin einen Vorbau, der sie versteckt. Zum anderen hat dieser Vorbau vor der größeren Einfahrt links und der kleineren Einfahrt rechts leicht spitz endende Rahmen mit grauer Natursteinverkleidung, die davon ablenken, daß das darüberliegende Geschoß mit gelbgrauem Putz und horizontalen Fenstern vollständig aufgestützt ist.
Aber allzu entschlossen versteckt sich das Gebäude wiederum auch nicht, da man in die breiten Einfahrten, das heißt das offene Erdgeschoß, unweigerlich hineinblickt und die mit geradezu strahlend hellblauen Kacheln verkleideten Wände und eckigen Stützen sieht. Zudem führt etwa in der Mitte beginnend mit einer Tür eine umschlossene Treppe gleich einer eckigen Röhre nach hinten zum aufgestützten Geschoß, dessen einzige Erschließung sie ist. Sie ist lang, hat zwei Absätze und verzweigt sich oben schräg zu den Seiten, aber keine Stützen tragen sie, stattdessen ist sie an einer Stelle wie aufgehängt. Als wäre diese freischwebende Form nicht genug, ist sie mit kleinen quadratischen Kacheln in Grautönen mit roten Einsprengseln verkleidet, in denen in Braun umgeben von einer unregelmäßig Sternform halbhoch auf beiden Seiten 39, die Nummer der Buslinie, der die Garage dient, steht.
Und selbst, wenn die steinernen Einfahrten irgendwie von all dem Inneren ablenken könnten, bliebe rechts auf dem Dach der Wassertank mit gelb-grauer kleinteiliger Kachelverkleidung und unterschiedlich hohen unterschiedlich abgeschrägten Wänden wie eine abstrakte polygonale Skulptur. Aber das Gebäude versteckt sich ja nicht wirklich, es tut nur so. Die konservative Steinverkleidung ist nicht nur völlig nutzlos, sie ist auch letztlich unsichtbar, da die fortschrittlichen Elemente im Inneren alle Blicke auf sich ziehen. Daß das Gebäude glaubte, so tun zu müssen, als verstecke es sich, ist immerhin bezeichnend für die Situation fortschrittlicher Architektur im Argentinien einer bestimmten Zeit.
Statt eines Firmenschilds oder eines Hinweises auf die Funktion hängt an dem Gebäude heute der Umriß eines Gesichts und Oberkörpers aus Blech, der aufgrund der charakteristischen Ponyfrisur sofort als Porträt des Komikers Carlos Balá erkennbar ist. Er stammte aus dem umliegenden Viertel Chacarita und begann, wie er erzählte, seine Karriere mit Witzen in der Buslinie 39, die er auch in manchen späteren Sketchen erwähnte. Nach Anfängen im Radio in den fünfziger Jahren spielte er in den sechziger Jahren in erfolgreichen Komödien und hatte Fernsehsendungen wie „El flequillo de Balá” (Der Pony von Balá). Seit den achtziger Jahren wurde er, nun eher in der Verniedlichungsform Carlitos, mit Kindersendungen zur prägenden Figur für ganze Generationen argentinischer Kinder. Das Kunstwerk paßt also gut zum Gebäude, obwohl es sich auch vorher schon nicht verstecken mußte.