Pasaje

Ein spezifisch spanischer Gebäudetyp, der das Zentrum von Torremolinos prägt, heißt pasaje. Gewiß bedeutet das maskuline Wort übersetzt einfach Passage und Einkaufspassagen, diese aus dem 19. Jahrhundert stammenden Vorformen des Einkaufszentrums, gibt es überall in Europa, doch in der Architektur wie allgemein bezeichnen die gleichen Worte nicht immer ganz das gleiche.

Auch in Torremolinos gibt es Passagen des gesamteuropäisch vertrauten Typs: ebenerdige und meist eingeschossige Einschnitte oder Durchgänge in Gebäuden, die dann hier durchaus mit einem Fenster zum Meer enden können.

Centro Comercial Balcón de San Miguel

Aber typischer sind Pasajes des spanischen Typs: enge Gassen zwischen Gebäudeteilen, die oben ganz wie normale Gassen zum Himmel geöffnet sind. Ob sie Innen- oder Außenräume sind, ist gar nicht mehr klar zu sagen, da der glatte Steinboden mit abstrakten Mustern, die sie meist haben, in Torremolinos auch für normale Fußgängerstraßen verwendet werden kann. Während in den Erdgeschossen passagentypisch die Läden sind und darüber manchmal Büros, sind in den oberen Geschossen immer Wohnungen. Letzteres ist es, was die spanischen Pasajes zu einem so deutlich eigenen, fremdartigen auch, Gebäudetyp macht, denn so entstehen Wohnungen, die nicht nur zu engeren Gassen als sie anderswo seit dem Mittelalter gebaut wurden, zeigen, sondern zu Räumen, die nicht eindeutig Außenräume sind.

Pasaje Begoña

Auch ohne jegliche historisierenden Formen der Gebäude entsteht ein dezidiert südlich-rustikaler Eindruck, wenn über den Einkaufspassagen Klimaanlagen oder Wäschereckchen vor den Fenstern hängen und Fahrräder auf den Laubengängen oder Stegen stehen. Wie so oft ist der Eindruck von Rustikalität auch einer der Armut, denn es läßt sich schwer als erstrebenswert vorstellen, so nah am Fenster der Nachbarwohnung zu wohnen, auch wenn man berücksichtigt, daß die ständige Verschattung in den Sommermonaten eher vorteilhaft sein kann.

Letztlich zeugen die Pasajes von Torremolinos so von einem anderen Verhältnis von Innen- und Außenraum, privatem und öffentlichem Raum, Passage und Gasse. Die Pasaje Santa Ana und die Pasaje San José  parallel zur zentralen Calle San Miguel etwa sind unzweifelhaft Gassen, aber ganz wie andere Pasajes teilweise von Stegen überquert.

Weite Teile der Pasaje Andalucía auf der anderen Straßenseite hingegen sind von undurchsichtigen Plexiglasdächern überwölbt, so daß hier ein Innenraum entsteht, der zum einen näher an einer vertrauten Passage ist, zum anderen aber Wohnungen vollständig vom offenen Himmel abschottet, was anderswo schon vor den Forderungen der fortschrittlichen Architektur der Zwischenkriegszeit als schockierend empfunden worden wäre.

Der Pasaje ist der Gebäudetyp des anderen Torremolinos, des auf und um die Gassen des alten Fischerdorfs gewachsenen städtischen Kerns, den die Appartmenthotels am Meer und die Wohnhochhäuser auf der anderen Seite umgeben. Und städtisch sind die Pasajes zweifelsohne, bloß auf eine unerwartete Art, an der nicht nur die Neuerungen des 20. Jahrhunderts, sondern auch die des 19. Jahrhunderts spurlos vorübergegangen sind. Pasaje bedeutet nicht Passage.

2 Gedanken zu „Pasaje

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