Der Most Hrdinov Dukly ist die andere Brücke in Bratislava. Die wichtigste Brücke der Stadt, das ist der Most SNP.
Er ist direkt im Zentrum, unterhalb der Burg und mit seinem ufoförmigen Restaurant auf schwerelos schrägen Stützen so sehr Symbol Bratislavas wie diese. Er ist der Star und mit allem Recht. Eine der schönsten Brücken der Welt oder jedenfalls der Tschechoslowakei, was nicht wenig heißt. So perfekt ist er, daß er bei aller schwebenden skulpturalen Eleganz nie seine Funktion vergißt, trägt er doch auf mehreren Spuren Autos und an seinen Seiten Fußgänger vom Zentrum in den neuen Stadtteil Petržalka am anderen Donauufer und wieder zurück. Der Most Hrdinov Dukly hingegen ist der treue, ewig strapazierfähige und verläßliche Sidekick.
Ganz Funktion verbindet er für Autos, Züge, Fußgänger und Radfahrer Petržalka mit industriellen Gegenden im Osten beim Hafen.
Schon die Namen erzählen von dieser Rollenverteilung zwischen den beiden Brücken. Der Most SNP heißt nach dem SNP, dem Slowakischen Nationalaufstand, mit dem die fortschrittlichen Teile des slowakischen Volks ihren Widerstand gegen den einheimischen wie den ausländischen Faschismus und ihre Loyalität zur zerschlagenen Tschechoslowakei mit der Waffe in der Hand bekundeten. Der Most Hrdinov Dukly ist die Brücke der Helden von Dukla, benannt also nach den Soldaten der sowjetischen und der tschechoslowakischen Armee, die in der Offensive zur Eroberung des Dukla-Passes zwischen Polen und der Slowakei fielen. Diese Offensive machte, indem sie viele deutsche Kräfte band, das heldenhafte Ausharren des SNP in der Mittelslowakei erst möglich. Und wie der Most Hrdinov Dukly in Bratislava stand auch Dukla in der Propaganda der sozialistischen Tschechoslowakei nie so sehr im Vordergrund wie der SNP. Doch wie SNP und Dukla geschichtlich untrennbar zusammengehören, so gehören auch die beiden Brücken in der Stadtstruktur von Bratislava zusammen. Es gibt keine Konkurrenz. Der Most Hrdinov Dukly ist mit seiner wichtigen, aber leicht zu übersehenden Rolle völlig zufrieden.
Wiewohl riesig, weit größer als der Most SNP, ist der Most Hrdinov Dukly von weitem kaum zu sehen. Man muß ihm nahe kommen, um ihn zu erleben. Auf der Seite von Petržalka wächst die Brücke langsam aus der Auenlandschaft am Ufer hervor. Riesige Betonstützen, breite, die sich oben Y-förmig gabeln, oder schlankere, die oben teils einen horizontalen Träger, gleich einem mächtigen Arm, zur Seite strecken, tragen die verschiedenen Auffahrten der Brücke, die sich nach und nach vereinen.
Die Bahnstrecke kommt im Schwung von der Seite heran und verläuft dann in der Mitte der Brücke. Auf beiden Seiten neben den Gleisen sind Wege für Fußgänger und Fahrräder, während hoch oben, nur am ständigem Rauschen und den Erschütterungen zu bemerken, die Autos fahren.
So wird man über den Wald am Ufer getragen. Nachdem sich alle Teile der Brücke zusammengefunden haben und die Donau beginnt, endet die Betonkonstruktion mit einer Art riesigem Rahmen, der die über den Fluß führende Stahlkonstruktion trägt.
Man tritt hindurch wie durch ein Tor. Ging man zuvor unter dem Gewölbe des Betons, so bemerkt man die drei Reihen V-förmiger Stahlträger kaum mehr, da der Blick hinaus übers Wasser und in die Stadt geht.
Links, nach Norden und Westen, breitet sie sich aus, die Burg und der Most SNP ragen in der Ferne auf.
Rechts, im Südosten hingegen sieht man die ausgedehnten Anlagen der Slovnaft-Raffinerie. Näher ist der Hafen, dessen geschäftiges Becken man noch im stählernen Teil überquert. Am anderen Ufer übernimmt die Betonkonstruktion von Neuem. Die Bahnstrecke trennt sich von der Brücke, die Straße oben spaltet sich wieder in verschiedene Auffahrten.
Auch der Fußgänger wird langsam wieder zum Boden geleitet, den er über eine Treppenanlage oder eine spiralförmige Rampe erreicht.
Auf ihre Art ist diese Brücke, die ihre Funktion mit einer klaren und schlichten Konstruktion erfüllt, nicht weniger schön als der Most SNP. Daß sie alles kann, was dieser konnte, zeigt sie ein Stück vom Treppenabgang entfernt in einer kleinen Grünanlage bei der Einfahrt zum Hafen. Dort steht eine Art Band aus Beton, das verschlungen auf dem Boden beginnt, sich dann als torartiger Durchgang aufschwingt und nur noch mit einer kleinen Stütze den Boden berührt, bevor es schwebend endet.
Der Beton, der bei der Brücke die massiven Stützen bildet, wird hier ganz leicht. Und das Band ist meist wirklich nur Beton, weder völlig glatt noch besonders rau, ganz wie bei der Brücke, aber dort, wo es als Durchgang aufgeweht ist, sind einige einfache Reliefs. Auf der einen Seite eine auf Blumen und Getreide herabscheinende Sonne, die ein ganz klein wenig auch Hammer und Sichel ist,
auf der anderen links eine Sonne, die auf die Burg von Bratislava scheint, während davor die Donau als anderes Band fließt, und rechts drei grüßende Mädchen mit Blumen vor einem fliegenden Band und zwei Lotsen auf einem Schiff.
Vor dieser Seite ein kleiner gepflasterter Platz, in dessen Mitte eine hohe runde Platte aus Beton steht.
Sie symbolisiert den Grundstein für die zwischen 1978 und 1985 gebaute Brücke und nennt auf ihrem Rand deren Projektanten und Auftraggeber. Auf ihrer flachen Oberfläche ein fünfzackiger Stern, der Name „Most Hrdinov Dukly“ und horizontale Wellenlinien. Mit simpelsten Mitteln ist so die Brücke über die Wasser der Donau und der Sozialismus, der sie baute, dargestellt. Drei Ebenen einer Brücke: die Abstraktion der Inschrift, der Bogen des Betonbands und im Hintergrund der wirkliche Bau. Spätestens hier, wo er sich Verspieltheit und Pathos erlaubt, zeigt sich der Most Hrdinov Dukly ganz als Bruder des Most SNP. Aber er weiß, daß er das nicht einmal bräuchte.
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